Wirtschaft macht Druck auf Koalition für mehr Tempo
Wirtschaft fordert von Merz mehr Tempo
Unternehmen drohen mit Abwanderung – Ministerin Reiche offen für stärkere Steuersenkung
ahe Berlin
Die Wirtschaft macht weiter Druck auf die neue Bundesregierung, dass diese rasch die versprochenen Entlastungen für die Unternehmen umsetzt. „Wir brauchen bis Herbst Maßnahmen zur Stabilisierung der Lohnnebenkosten“, forderte Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik, am Freitag auf einer Konferenz seiner Organisation in Berlin. Kirchdörfer verlangt insbesondere ein Gesetz zur Dämpfung des Beitragsanstiegs in den Sozialversicherungen.
„Wir sehen ungebremste Verteuerungen bei den Sozialkassen, die den Faktor Arbeit in Deutschland belasten", warnte er. Das aktuelle Niveau der Sozialabgaben von 42% drohe noch weiter zuzulegen. „Uns läuft die Zeit davon.“ Kirchdörfer zufolge drohen ohne schnelle Entscheidungen der neuen Regierung auch bei den Familienunternehmen weitere Abwanderungen aus Deutschland.
Erstes Entlastungspaket Anfang Juli
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche malte auf dem „Tag des Familienunternehmens“ ebenfalls ein düsteres Bild vom aktuellen Standort. Sie sieht eine „Insolvenzwelle“ in Deutschland sowie den Verlust von Innovationskraft, Arbeitskräften und Direktinvestitionen. „Es ist höchste Zeit zu handeln“, pflichtete die CDU-Politikerin den Forderungen aus den Verbänden bei.
Reiche versprach ein erstes Entlastungspaket bis Anfang Juli, mit dem die Stromsteuer gesenkt und Bürokratie abgebaut werden soll. Sie zeigte sich auch offen dafür, sich innerhalb der Koalition für eine noch schnellere und umfangreichere Unternehmenssteuerreform einzusetzen. Nach den aktuellen Plänen soll die Körperschaftssteuer erst ab 2028 in fünf Schritten um jeweils einen Prozentpunkt gesenkt werden.
Steuerregeln vereinfachen
Viele Wirtschaftsverbände hatten dies als zu spät und zu zaghaft kritisiert. Ministerin Reiche stellte klar, dass sie sich erst einmal natürlich an den Koalitionsvertrag gebunden sehe.
Finanzstaatssekretär Michael Schrodi (SPD) verwies auf der Veranstaltung ebenfalls auf die Bedeutung der Steuerpolitik, um wieder neue Dynamik in der Wirtschaft zu entfachen. Seinen Worten zufolge will die schwarz-rote Koalition auch bestehende Steuerregeln vereinfachen. Er betonte zugleich, es müsse auch über die Senkung der Einkommensteuer nachgedacht werden, um die Kaufkraft der privaten Haushalte zu stärken. An einer globalen Mindeststeuer für große Konzerne wolle die Koalition aber grundsätzlich festhalten.
Forderungen nach dem „Wohnungsbau-Turbo“
Neue Forderungen an die Regierung kamen am Freitag auch aus der Wohnungswirtschaft. Aygül Özkan, Hauptgeschäftsführerin des Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA), betonte, es gelte jetzt auch in ihrer Branche, schnell für Entlastung zu sorgen „und den Wohnungsbau-Turbo zu zünden“. Der ZIA taxiert die Zahl der fehlenden Wohnungen in Deutschland auf etwa 600.000 und befürchtet, dass diese Lücke auf 830.000 im Jahr 2027 ansteigen könnte.
Kanzleramtschef Thorsten Frei versprach auf dem „Tag des Familienunternehmens“ ein hohes Tempo der neuen Regierung. „Wir müssen heute arbeiten, als gäbe es kein Morgen“, sagte der CDU-Politiker. Reformen, die mit Zumutungen verbunden seien, müssten am besten am Anfang oder spätestens in der Mitte der Legislaturperiode angegangen werden. Die Regierung werde alle Maßnahmen abklopfen, ob sie gut für den Standort seien.