Zinssenkung für maximale Flexibilität
Zinssenkung für maximale Flexibilität
DekaBank stuft Zollkonflikt als unter dem Strich preisdämpfend für die Eurozone ein und warnt die EZB dennoch vor Inflationsgefahren
Im EZB-Rat herrscht Einigkeit, die Leitzinsen am Donnerstag um 25 Basispunkte zu senken. Wie es danach in der Geldpolitik weitergehen sollte, könnte hingegen zu kontroversen Diskussionen führen. Viel Beachtung bei den Notenbankern dürften die neuen Projektionen zu Inflation und Wirtschaftswachstum finden.
Von Martin Pirkl, Frankfurt
Zum vermutlich letzten Mal für eine längere Zeit herrscht im EZB-Rat große Einigkeit über den nächsten Zinsschritt. Die Notenbank dürfte den für die Geldpolitik wichtigen Einlagensatz am Donnerstag ein weiteres Mal um 25 Basispunkte senken. „In den vergangenen Wochen war eine Annäherung zwischen den verschiedenen Lagern im EZB-Rat zu beobachten“, sagt Kristian Tödtmann, Leiter Geldpolitik und Kapitalmärkte bei der DekaBank. Selbst Verfechter einer tendenziell restriktiven Geldpolitik wie der belgische Notenbankpräsident Pierre Wunsch sprachen sich öffentlich für eine Zinssenkung aus.
Wie es danach weitergeht, wird maßgeblich von ökonomischen Effekten des Zollkonflikts abhängen. So befürchten einige Ratsmitglieder, dass die Unsicherheit rund um die Zölle das Wirtschaftswachstum der Eurozone senken könnte. Dies würde auch den Preisdruck reduzieren. Dementsprechend brauche es mehr als nur noch eine weitere Zinssenkung in diesem Jahr.

Tödtmann erwartet nicht, dass die EZB bei den neuen Projektionen am Donnerstag das erwartete Wirtschaftswachstum für dieses Jahr deutlich senken wird. Auch der EZB-Deka-Zinskompass, der stets vor einem Zinsentscheid exklusiv in der Börsen-Zeitung erscheint, deutet darauf nicht hin. Die Konjunktursäule des Kompasses ist seit den Zollankündigungen des US-Präsidenten Donald Trump nicht eingebrochen, signalisiert aber vergleichsweise wenig Wachstum. „Befürchtungen der EZB, dass sich die Zollankündigungen in einer Verschärfung der Finanzierungsbedingungen niederschlagen könnten, haben sich bislang nicht bewahrheitet“, ergänzt Tödtmann.
Abwärtsdruck durch China
Die Inflationssäule wiederum war zuletzt deutlich nach unten gerichtet. Den Zollkonflikt stuft Tödtmann als unter dem Strich preisdämpfend ein. Die Aufwertung des Euro, ein global schwächeres Wirtschaftswachstum und dadurch niedrigere Energiepreise dürften seiner Einschätzung nach die Inflation in den kommenden Monaten weiter abschwächen. „Zudem ist denkbar, dass chinesische Unternehmen ihre ursprünglich für die USA gedachten Waren verstärkt im Euroraum anbieten und dadurch Abwärtsdruck auf die Preise ausüben werden.“
Tödtmann mahnt bei Zinssenkungen dennoch zur Vorsicht, denn es gebe einige Inflationsgefahren. Die Dienstleistungsinflation sinke nur allmählich. Zudem seien die Inflationserwartungen der Verbraucher hoch. Die Erwartung einer hohen Teuerung kann zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Wenn viele Menschen größere Ausgaben nach Möglichkeit vorziehen, um prognostizierte Preiserhöhungen zu umgehen, steigt der Inflationsdruck.
Debatte um expansive Geldpolitik
Die Unsicherheit über den Ausgang des Zollkonfliktes sowie die daraus entstehenden ökonomischen Effekte dürften beim Zinsentscheid der EZB allgegenwärtig sein. Chefvolkswirt Philip Lane kündigte an, dass die Projektionen dieses Mal neben dem Hauptszenario auch alternative Szenarien enthalten werden. Tödtmann weist darauf hin, dass die Notenbank dies in der Vergangenheit nur in Ausnahmesituationen getan hat – etwa nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine.
Angesichts der Zölle halten es manche EZB-Ratsmitglieder für möglicherweise notwendig, dass die EZB in diesem Jahr noch zu einer leicht expansiven Geldpolitik wechselt. Also zu einem Einlagensatz, der die wirtschaftliche Entwicklung ankurbelt und damit auch den Preisdruck verstärkt. Wann der Leitzins unterhalb des neutralen Niveaus liegt, ist unter den Notenbankern umstritten. Viele sehen dies bei einem Einlagensatz unterhalb von 2% für gegeben. Insofern könnte die EZB nach der Zinssenkung an diesem Donnerstag mit einer weiteren Lockerung bei Bedarf ins leicht expansive Territorium wechseln.
Ökonomen rechnen mehrheitlich damit, dass die EZB diesen Schritt im September gehen wird und zuvor im Juli eine Zinspause einlegt.