Schon zum Start Ballast im Gepäck
Bundesregierung
Schon zum Start Ballast im Gepäck
Von Angela Wefers
Kanzler Friedrich Merz startet mit einer Bürde ins neue Amt. Diese erzieht zu Demut und muss nicht von Dauer sein.
Erst im zweiten Wahlgang ist Friedrich Merz (CDU) zum Bundeskanzler gewählt worden. Die neue Regierung in Deutschland startet mit mehrstündiger Verspätung und unerwartetem Ballast im Marschgepäck. Gut ist, dass sie nun starten kann. Die Aussicht auf eine Hängepartie hatte auch den Dax am Mittag vorübergehend auf deutliche Talfahrt geschickt. Die Reaktion der Börse deutet auf die große Nervosität in der Wirtschaft, ob und wie schnell Deutschland unter klarer politischer Führung wieder auf einen Wachstumspfad einbiegen kann. Auch Europa hofft auf eine starke deutsche Regierung.
Im Bund ist es ein Novum, dass der Regierungschef mehr als einen Anlauf braucht, um die nötige Stimmenzahl auf sich zu vereinen. Eine schwere Niederlage ist es nicht, aber der Kanzler beginnt nach dem Fehlstart beschädigt. Der Makel trifft jedoch die gesamte schwarz-rote Koalition. Auch die Fraktionsvorsitzenden tragen Verantwortung: Jens Spahn für die Union und der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil als Noch-Fraktionschef. Ihre Aufgabe ist es, die eigenen Truppen zusammenzuhalten.
Größerer Schaden vermieden
Die Demokratie hat den Schaden minimiert und das politische Personal Verantwortungsbewusstsein bewiesen. Das Parlament stimmte geschlossen einem zweiten Wahlgang noch am selben Tag zu. Die schnelle Aktion hat eine Hängepartie in Deutschland mit noch größerem Schaden vermieden. Europäische Nachbarn haben damit durchaus schlechte Erfahrung.
Die Gründe der Abgeordneten, die Merz zunächst die Zustimmung verweigerten, bleiben bei einer geheimen Wahl im Dunkeln – auch, ob die Gefolgschaft eher bei CDU, CSU oder SPD ausblieb. Das Ergebnis des Koalitionsvertrags kann manche verstimmt haben oder auch die unkonventionelle Aufstellung der Ministerriege. Womöglich haben Merz und Klingbeil auch nicht alle Parlamentarier ausreichend mitgenommen. Die Wahl im zweiten Anlauf spricht eher für einen Denkzettel, nicht für ein nachhaltiges Problem.
Der Ballast im schwarz-roten Gepäck legt jedoch die Fragilität der politischen Konstellation offen. Dies erzieht zu Demut. Eine sichere schwarz-rote Mehrheit ist auch bei künftigen Abstimmungen kein Selbstläufer. Merz hat Steherqualität. Er brauchte drei Anläufe, um CDU-Vorsitzender zu werden. Als Oppositionsführer hat er polarisiert. Als Regierungschef muss er lernen, zusammenzuführen. Dann kann er den Ballast ohne Schaden auch wieder abwerfen.