Bank of England: Irrationale Hoffnungen
Bank of England: Irrationale Hoffnungen
Bank of England
Irrationale Hoffnungen
Von Andreas Hippin
Die inflationäre Politik von Labour dürfte dafür sorgen, dass sich das Tempo der Zinssenkungen verlangsamt.
Für die Bank of England wäre es zweifellos am vernünftigsten, den neuen Haushalt von Rachel Reeves abzuwarten, bevor sie die Geldpolitik weiter lockert. Wenn die Schatzkanzlerin ihn am 26. November endlich vorlegt, wird sich zeigen, ob er den Inflationsdruck dämpft oder steigert. Ihre Fiskalpolitik hat dafür gesorgt, dass die Teuerungsrate in Großbritannien weitaus höher ist als in der Eurozone oder den Vereinigten Staaten.
Dennoch wird am Markt eine Wahrscheinlichkeit von 30% für eine Zinssenkung um 25 Basispunkte auf dann 3,75% eingepreist. Eine Reihe von Konjunkturdaten weckte diese Hoffnung. Die vom geldpolitischen Komitee der Notenbank mit Argusaugen verfolgte Dienstleistungsinflation war im September niedriger als von den Ökonomen der Zentralbank erwartet. Das Lohnwachstum in der Privatwirtschaft schwächte sich weiter ab, die Arbeitslosenquote stieg auf 4,8%.
Niedrigere Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer
Die Nachfrage lässt nach. Die britischen Haushalte sparen mehr als sonst. Unternehmen fällt es schwerer, Preiserhöhungen durchzusetzen. Die Stimmung in der Wirtschaft trübt sich ein. Zugleich nimmt die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer ab. Ließen sich nach der Pandemie noch außerordentliche Lohnforderungen stellen, hat sich die Situation nun wieder normalisiert. Der zunehmende Einsatz von Künstlicher Intelligenz dürfte dazu führen, dass die Gehälter in klassischen Angestelltenjobs nicht mehr so schnell steigen.
Andererseits lag die Teuerungsrate von 3,8% im September immer noch weit über dem Inflationsziel der Bank of England, das einmal auf 2,0% festgesetzt wurde. Unternehmen haben die zusätzlichen Kosten, die ihnen durch höhere Sozialversicherungsbeiträge und den steigenden Mindestlohn entstehen, erstaunlich schnell an die Verbraucher weitergereicht. Die Inflationserwartungen von Unternehmen und privaten Haushalten bewegen sich bereits auf erhöhtem Niveau und drohen, sich zu verfestigen. Das könnte eine Lohn-Preis-Spirale auslösen.
Warteschleife könnte Konflikte vermeiden
Zudem könnten sich die Geldpolitiker der Kritik der Opposition sicher sein, sollten sie der Labour-Schatzkanzlerin vor der Vorstellung ihres Haushalts in Form einer Zinssenkung unter die Arme greifen. In der Regel versucht die Bank of England zu vermeiden, in innenpolitische Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden. Die Opportunitätskosten eines Festhaltens am Status Quo wären gering. Auf der Sitzung im Dezember könnten sie die Bank-Rate immer noch nach unten setzen.
Goldman Sachs und Barclays rechnen gleichwohl damit, dass die Zinssenkung schon im November kommt. Das geldpolitische Komitee ist tief gespalten. Schon im August brauchte die Bank of England zwei Anläufe, um den Leitzins um 25 Basispunkte zu senken. Am Ende machte der Arbeitsmarkt seinen Mitgliedern größere Sorgen als der Preisauftrieb. Als Argumente für einen weiteren Schritt nach unten ließe sich anführen, dass derzeit kein weiterer Inflationsdruck von den Rohstoffmärkten kommt. Zudem besteht keinerlei Notwendigkeit, die Landeswährung zu stärken.
Inflationäre Fiskalpolitik
Damals wie heute kommt es darauf an, wie sich Andrew Bailey, der Gouverneur der Notenbank, entscheidet. Er sollte ausreichend Erfahrung haben, um erst einmal abzuwarten. Denn es ist kaum damit zu rechnen, dass Reeves Ausgabenpolitik dazu angetan sein wird, den Inflationsdruck abzumildern. Derlei irrationale Hoffnungen dürfte Bailey nicht hegen.
Der Mindestlohn soll um weitere 4% steigen. Die unabhängigen Haushaltshüter des Office for Budget Responsibility rechnen angeblich mit einer deutlich niedrigeren Produktivität. Das dürfte hektische Aktivität im Schatzamt auslösen, um das dadurch entstehende zweistellige Milliardenloch zu füllen. Höhere Steuern und Abgaben sind unausweichlich. Die „Tax & Spend“-Politik von Labour, verbunden mit großzügigen Lohnerhöhungen für die eigene Klientel, erhöht den Inflationsdruck. Das sollte das Tempo der geldpolitischen Lockerung – bislang ein Schritt pro Quartal – bremsen.
