Banken haben den Lackmustest bestanden
EU-Großbanken
Lackmustest bestanden
Von Björn Godenrath
Europas Großbanken erweisen sich als erstaunlich wetterfest. Das erlaubt auch weiter hohe Ausschüttungen.
Über den Wert von Stresstests im Bankensektor lässt sich bekanntlich streiten. In mancherlei Hinsicht sind die Übungen ein Muster ohne Wert, aber im Nachgang zur Finanzkrise hatten sie sich als Instrument zur Krisenvorausschau etabliert. Doch wie realistisch war der jüngst absolvierte Stresstest und welche Lehren kann man daraus ziehen?
Die Simulation von Risiken gibt nur bedingt Aufschlüsse
Abgesehen von der Erkenntnis, dass die größten europäischen Banken sich als widerstandsfähig gegenüber den simulierten geopolitischen und wirtschaftlichen Turbulenzen erwiesen haben, lässt sich wenig ableiten. Denn die Stresstest-Szenarien waren mit ihren heftigen BIP-Einbrüchen so angelegt, dass in Europa keine Regierung mehr im Amt wäre, kein Land mehr Staatsanleihen unter 5% Zinsen an den Markt bringen könnte und die EZB ein gigantisches Anleihekaufprogramm fahren würde. Bevor die Banken also in die Bredouille gerieten, würden andere Dinge brechen.
Banken haben gut Kapital getankt
Trotzdem ist es natürlich wichtig, Kreditrisiken zu simulieren, was dann aber in konkrete aufsichtliche Maßnahmen münden sollte bei betroffenen Instituten und nicht, wie bislang häufig üblich, in erhöhte Kapitalanforderungen für alle. Aus diesem Muster sollten sich die Aufseher befreien, haben Europas Großbanken doch inzwischen so viel Kapital getankt, dass überschüssige Mittel für erhöhte Auskehrungen zur Verfügung stehen. Aktienrückkäufe und erhöhte Dividenden waren der Treibstoff für die jüngste Rally der Bankaktien - und die Stresstest-Ergebnisse legen ja nahe, dass Gewinne nicht weiter thesauriert werden müssen.
Es darf von einer moderaten Deregulierung geträumt werden
Außerdem stehen die Zeichen auf Deregulierung. Wenn man mal vom Versagen der Finma bei der Credit Suisse absieht, hat sich im modernen Aufsichtsregime doch eine gute Risikokontrolle und Sektor-Resilienz ergeben, was Spielraum eröffnet, dass von erhöhten Zinsüberschüssen gestärkte EU-Banken ihre Aktionäre noch mehr am Erfolg teilhaben lassen können. So ist auch die in den USA geplante Lockerung der „Supplemental Leverage Ratio“ (SLR) zu begrüßen, geht es doch nur um eine Reduzierung der zusätzlichen Puffer, damit die als primary dealers tätigen Banken vorübergehend mehr Staatsanleihen (als Brücke für den Sekundärmarkt) auf die Bücher nehmen können.
Bei Verbriefungen nicht von Pseudo-Experten erpressen lassen
Die SLR ist als ungewichtete Kapitalquote sowieso von zweifelhafter Qualität, um das auf Risikokalibrierung beruhende System des fractional reserve banking zu bändigen. Wenn man die Risiken von Staatsanleihen wirklich abbilden will, dann muss man sich endlich mal an die Eigenkapitalunterlegung rantrauen. Und vielleicht findet jetzt von den USA ausgehend auch ein Paradigmenwechsel statt, überhaupt über eine moderate Form der Deregulierung in Europa zu reden. Oder wollen sich die Regelsetzer dauerhaft von Lobbyisten erpressen lassen, die beispielsweise Verbriefungen pauschal als Teufelszug verdammen?
Bevor es weniger Regulierung gibt, bekommt Europa erst mal mehr Regulierung
Das kann nicht der Weg sein. Von daher sind die europäischen Aufseher aufgerufen, die Vorschriften nach Erleichterungen zu durchforsten. Und bevor es irgendwo weniger Regulierung geben könnte, kommt erst mal mehr Regulierung auf die Banken zu: Wir in Europa sind ja im Gegensatz zu den USA fest entschlossen, die Basel-Finalisierung voll durchzuziehen. Immerhin ist der Phase-in bis 2033 gestreckt, was nach Ansicht von Scope ausreichend Gelegenheit bietet zur Linderung von Effekten.
Auch die von der Baseler-Verschärfung bei der Verwendung interner Risikomodelle besonders betroffene Deutsche Bank hatte sich bei Vorlage der Quartalszahlen schon sehr zuversichtlich gezeigt, dass man das mit einer Reihe von Maßnahmen gut in den Griff bekommen kann, ohne dass dies die Kapitalrückgabepläne gefährde.
Die UBS sollte erhöhte Anforderungen runterhandeln können
Der nächste Lackmustest für die Dividendenfähigkeit einer EU-Großbank kommt Anfang 2026, wenn die UBS mit Vorlage vorläufiger Eckdaten über die Kapitalrückgaben informieren will. Da die Chancen gut stehen, die Maximalforderungen von Finanzministerin Karin Keller-Sutter zur Aufstockung des Kernkapitals herunterzuhandeln, dürfte UBS-CEO Sergio Ermotti an der Indikation von Auskehrungen über 5,6 Mrd. Dollar für 2026 festhalten. Alles andere wäre auch katastrophal für die UBS-Aktie. Und solange steigende Gewinne die Ausschüttungen speisen, sollte freie Fahrt für Auskehrungen unter Wahrung der Kapitalquoten bestehen.
Die first line of defence steht
Dieses Eigenkapital bildet ja die first line of defence als Schutz für die Anleihegläubiger der Banken, sollten sich Schieflagen ergeben. Und auch in der Abwägung der Interessen von Eigenkapitalgebern (aka Aktionäre) und den Zeichnern der Bailin-fähigen Anleihen sind beide Gruppen, wenn man den Stresstest zu Rate zieht, gut abgesichert.
Keine zusätzlichen Hürden für Bankenkonsolidierung aufstellen
Übersetzt auf die UBS bedeutet das, dass sich erst mit voller Umsetzung der Synergien aus dem Schlucken der Credit Suisse ab 2026 stärker steigende Gewinne ergeben: Der Analystenkonsens sieht für 2027 eine Verdoppelung des Nettogewinns auf 12 Mrd. Dollar vor gegenüber 2025. Und dass die UBS zwischenzeitlich im Vergleich zu anderen europäischen Großbanken weniger ausschütten konnte, lag daran, dass sich mit der Integration einer anderen systemrelevanten Großbank kurzfristig Sonderlasten ergaben. Wenn man also will, dass in Europa eine Bankenkonsolidierung stattfindet, dann dürfen die M&A-fähigen Institute nicht mit zusätzlichen Kapitalerfordernissen konfrontiert werden.