N26

Das bisschen Compliance

Lange Zeit hat N26 die Compliance vernachlässigt. Die Finanzaufsicht hat deshalb die Geduld mit dem Fintech verloren, wie die jüngst verordnete Wachstumsdeckelung zeigt.

Das bisschen Compliance

Was N26 geschafft hat, ist bemerkenswert: Sich gleich zwei Sonderbeauftragte der BaFin binnen kürzester Zeit einzuhandeln, ist hochgradig ungewöhnlich, die Zahl der Neukunden gedeckelt zu bekommen, ein Novum in der hiesigen Bankenlandschaft. Entsandte die Finanzaufsicht im Mai einen Monitor, um die Abarbeitung der Mängelliste in der Geldwäscheprävention zu überwachen, so schickte sie im Oktober einen zweiten hinterher, wie sie vergangene Woche bekundete. Sein Auftrag ist, die Beseitigung von Schwächen im Risikomanagement zu begutachten.

Die einzigen anderen Banken hierzulande, die sich bislang Sonderbotschafter der BaFin wegen Geldwäschedefiziten eingebrockt haben, sind Deutsche Bank und der hiesige Ableger der russischen VTB Bank. Dass es Deutschlands wertvollstes Fintech, das seit der jüngsten Finanzierungsrunde mit gut 9 Mrd. Dollar bewertet wird, mit der Prävention nicht so genau nimmt, stellt es seit Jahren wiederholt unter Beweis. Auf dem stringent auf Wachstum gepolten Kurs hat N26 lange sträflich vernachlässigt, die entsprechenden Prozesse anzupassen und sich als mit Banklizenz ausgestattetes Institut den Regeln der regulierten Finanzwelt verpflichtet zu fühlen. Oder um es mit einem N26-Werbesprüchlein zu sagen: „Banking. Aber ohne Bullshit“ eben. Das bisschen Compliance und alles was dazugehört, Risikomanagement, Transaktionsmonitoring, Abgabe von Geldwäsche-Verdachtsmeldungen, Identifizierung von Neukunden, ist jahrelang zu kurz gekommen. Für Betrüger war es so ein Leichtes, N26-Konten zweckzuentfremden.

Umso eifriger ist man dabei, sich mit schickem PR-Wortgeklingel dem Publikum zu empfehlen. Zur Erfolgsgeschichte, die N26 schreibt, gehört Wachstum. Beim Einsammeln von Investorengeldern erreicht die Smartphone-Bank regelmäßig Höchststände, insgesamt 1,8 Mrd. Dollar wurden eingenommen. In den vergangenen zwei Jahren haben die Berliner nach eigenen Angaben die Zahl der Kunden auf 7 Millionen verdoppelt und seit 2017 vervierzehnfacht. Das ist wahrlich beeindruckend und wichtig, um Investoren bei Laune zu halten. Dass die Leitung des N26-Konzerns auf eine 50 Millionen Menschen zählende Kundschaft in den nächsten Jahren schielt und langfristig gar 100 Millionen für möglich hält, dürfte derweil im Reich der Fantastillion zu verorten sein. Ebenso zur Wachstumsstory gehört, wie bei so vielen Fintechs, dass N26 bei der Kundenauswahl zumindest anfangs alles andere als wählerisch war und ohne viel Federlesens Klientel reingewunken hat. Die Frage ist, wie viele aktive Kunden sind, die Erträge bringen, und wie viele Karteileichen.

So wie regelmäßig die Wachstumsfantasien befeuert werden, leiert N26 seit Jahr und Tag herunter, wie sehr dem Management der Kampf gegen Finanzkriminalität am Herzen liege. Die BaFin hat dabei Langmut bewiesen. Zu viel, wie die Chronologie der Ereignisse zeigt. Schon 2018 hatte sie N26 zu Nachbesserungen im Kunden-Onboarding ermahnt. Im Mai 2019 ordnete sie an, Mängel in der Geldwäscheprävention abzustellen, so im Transaktionsmonitoring und in der Kundenidentifizierung. Seit diesem Jahr machen die Aufseher zu Recht Nägel mit Köpfen: Die BaFin wiederholte im Mai ihre Ansage, mit teils identischem Wortlaut, und schickte den ersten Sonderbeauftragten vorbei. Einige Wochen später folgte ein Bußgeldbescheid über 4,25 Mill. Euro wegen einiger Dutzend verspätet abgegebener Geldwäscheverdachtsmeldungen in den Jahren 2019 und 2020. Eingedenk der Tatsache, dass die BaFin im vergangenen Jahr wegen Verstößen in den Bereichen Banken- und Versicherungsaufsicht sowie Geldwäscheprävention alles in allem 39 Geldbußen über summiert 399000 Euro verhängt hatte, eine stattliche Summe. Im Oktober schließlich schickte die Behörde einen zweiten Sonderbeauftragten und verfügte eine Geschäftsbeschränkung auf 50000 Neukunden pro Monat, was einer Halbierung gleichkommen dürfte.

Dass N26 über Jahre die Dinge so hat schleifen lassen, rächt sich nun. Das Fintech, das nach wie vor keine schwarzen Zahlen schreibt, muss Abermillionen aufwenden – allein in diesem Jahr sollen es 30 Mill. Euro sein –, um nachzurüsten und Compliance-Personal einzustellen – in einer Situation, in der ihm angesichts der Wachstumsbremse Einnahmen entgehen. Die BaFin hat allerdings den Anreiz gesetzt, die Deckelung sukzessive zu lockern, so sie echte Besserung erkennt. Die N26-Spitze dürfte also ernsthaft bemüht sein, diesmal die Probleme wirklich und möglichst schnell in den Griff zu bekommen, wenn sie kein Harakiri betreiben will.

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