LeitartikelBritische Banken

Deregulierungswelle rollt

Banken bringt Deregulierung mehr Gewinn. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie als Modernisierung oder Demokratisierung verkauft wird.

Deregulierungswelle rollt

Für britische Banken ist das Glas nach dem ersten Halbjahr halb voll. Die wirtschaftliche Verlangsamung auf dem Heimatmarkt hat noch keinen Eingang in die Geschäftszahlen gefunden. Die von Labour angestoßene Deregulierung der Finanzbranche dürfte den Banken aber schnell zugutekommen. Die Quartalszahlen könnten erste Hinweise dazu geben.

Das gilt insbesondere für die Lloyds Banking Group, die am Donnerstag, 31. Juli die Berichterstattung der Großbanken eröffnet. Es ist ein wichtiger Monat für das Institut. Denn der Supreme Court entscheidet zum Thema Autofinanzierungen.

Nicht offengelegte Kommissionen

Die Gruppe, die einst für den Skandal um nutzlose Restschuldversicherungen (PPI) die höchste Entschädigungssumme leisten musste, wird auch in diesem Fall am tiefsten in die Tasche greifen müssen. Ihr gehört der herstellerunabhängige Autofinanzierer Black Horse. PPI kostete die Lloyds Banking Group rund 22 Mrd. Pfund.

Angesichts der Höhe der Entschädigungen, die damals geleistet wurden, sprach man in der City von Helikoptergeld oder „Quantitative Easing für alle“. Einer Umfrage der Kanzlei Slater & Gordon zufolge hat die Öffentlichkeit sehr hohe Erwartungen an die Entscheidung des Obersten Gerichts. Fast die Hälfte der Befragten (45%) waren der Ansicht, dass ihnen für zwischen 2007 und 2021 getätigte Transaktionen in irgendeiner Form Entschädigung winken könnte. Das wären 23 Millionen Menschen.

Finanzbranche als Wachstumsmotor

Das auf Deregulierung erpichte Schatzamt schaltete sich aber bereits ein, um einen weiteren Exzess à la PPI nach Möglichkeit zu vermeiden. Labour betrachtet die Finanzbranche als einen der Wachstumsmotoren der britischen Wirtschaft. Das Gericht muss darauf keine Rücksicht nehmen, die Finanzaufsicht dagegen schon. Und sie wäre dafür verantwortlich, ein Entschädigungsprogramm aufzulegen. Ihre Verpflichtung auf den Verbraucherschutz könnte in den Hintergrund rücken. Schatzkanzlerin Rachel Reeves kündigte bereits eine „Modernisierung“ des Financial Ombudsman Service (FOS) an, der im Skandal um Autofinanzierungen eine wichtige Rolle spielte. Die FOS-Chefin Abby Thomas legte ihr Amt schon im Februar nieder. Das Senior Managers Regime, das es ermöglichen sollte, das Führungspersonal von Banken persönlich zu belangen, wird von Reeves weiter verwässert. Die Labour-Politikerin will mehr Risikobereitschaft, auch von Kleinanlegern.

Egal ob der Abbau von Verbraucherschutz als Modernisierung verkauft wird, oder die Öffnung riskanter Assetklassen für Kleinanleger als Demokratisierung: Deregulierung kommt den Banken zugute. Basel III wird von Reeves weiter aufgeschoben. Wenn weniger regulatorisches Kapital vorgehalten werden muss, kann mehr Geld verdient werden. Eine Erhöhung der Bankenabgabe oder ein Ende der lukrativen Verzinsung der Reserven der Institute bei der Bank of England würde zwar Löcher im Staatshaushalt stopfen, ist unter Reeves‘ Führung aber kaum zu erwarten

Modernisierung und Demokratisierung

Britische Banken

Deregulierungswelle rollt

Von Andreas Hippin

Egal, welche Floskeln man dafür verwendet: Banken bringt Deregulierung mehr Gewinn.

Die Aktionäre der Banken dürfen sich freuen. Zwar könnte das Hypothekengeschäft auf dem Heimatmarkt im abgelaufenen Quartal angesichts der schwachen Wirtschaftsentwicklung etwas abgeflaut sein. Doch ist davon auszugehen, dass hohe Einnahmen aus Absicherungsgeschäften (Structural Hedge) das wieder ausgleichen, insbesondere wenn die Zinsen länger als erwartet hoch bleiben sollten.

Vielleicht ist bei den Ausschüttungen sogar noch ein Schnaps extra möglich, zumindest bei Barclays und Natwest. Beide haben potenziell wert zerstörende Zukäufe vermieden. Während sich Barclays den Erwerb von TSB durch den Kopf gehen ließ, sah sich Natwest das britische Geschäft von Santander an. Am Ende verkaufte Sabadell ihre Tochter TSB an Santander, die dem britischen Markt nun doch nicht den Rücken kehren will. Wer leer ausging, hat mehr Geld für Dividenden und Aktienrückkäufe zur Verfügung.

Ein Schnaps extra