Der standfeste Riese
Der standfeste Riese
KI-Avantgarde und Kartellwächter nehmen Google von zwei Seiten in die Zange. Dem Griff fehlt jedoch die Kraft, um den Werbegiganten auf Sicht in Bedrängnis zu bringen.
Von Heidi Rohde
Auf dem Suchmaschinenmarkt haftet Google seit einer Ewigkeit die Aura des Unbesiegbaren an. Weder der Wettbewerb noch die Wettbewerbshüter konnten dem Internetgiganten, dessen Name in aller Welt praktisch zum Synonym für die Vokabel „suchen“ geworden ist, bisher irgendetwas anhaben. Der jüngste Vorstoß an diesen beiden Flanken hat die Anleger indes nervös gemacht, und das auf den ersten Blick nicht ohne Grund.
Denn zum einen sieht sich der Suchmaschinengigant nicht nur in der als notorisch regulierungswütig geschmähten EU mit Kartellvorwürfen konfrontiert, sondern auch im Heimatmarkt, wo die über Jahre gegenüber Big Tech auf beiden Augen blinden Behörden scheinbar plötzlich erhöhten Durchblick gewonnen haben. Jedenfalls wirft die US-Regierung Google Missbrauch einer Monopolstellung bei der Internetsuche vor und will zumindest die Abspaltung des Chrome-Browsers, wenn nicht gar die Aufspaltung des ganzen Alphabet-Konzerns erzwingen. Zum anderen sind nicht nur die Kartellwächter erwacht, sondern auch die Konkurrenz schläft nicht (mehr). Die KI-Revolution mit ChatGPT als Speerspitze hat inzwischen eine Reihe von Large-Language-Modellen (LLM) hervorgebracht, die die Informationsbeschaffung im Internet und die daraus abgeleiteten Services auf eine neue Stufe gehoben haben.
Erfolglose Sanktionen
Den Alphabet-Aktionären muss aber beides nicht den Schlaf rauben. Die Mühlen der Justiz sind zwar nun einmal mehr in Gang gebracht, aber sie mahlen bekanntermaßen langsam. Und die „Erfolge“ inzwischen abgeschlossener langwieriger EU-Verfahren, die ihrerseits an den Grundfesten des Google-Imperiums hätten rütteln sollen, sprechen für sich. Durchaus scharfe Sanktionen gegen die Selbstbevorzugung bei Preisvergleichen im Internet oder Knebelverträge bei der weltweit mit Abstand dominierenden Smartphone-Systemsoftware Android im Zusammenhang mit „Killer-Apps“ wie Maps haben reichlich wenig bewegt. Auch ohne Zwang bewahrt Maps das Monopol auf Android-Smartphones und das Neu-Arrangement von Ergebnissen bei Preisvergleichen im Browser hat auch hier dem Wettbewerb bisher keinen Durchmarsch ermöglicht. Eine Abspaltung von Chrome wäre zwar ein deutlich härterer Schritt, aber entsprechend schwer zu gehen.
Konkurrenz im Blick
Die Auswirkungen der KI-Konkurrenz bei der Internetsuche und auf die damit verbundenen milliardenschweren Werbeeinnahmen sind noch einigermaßen schwer zu beurteilen. Ohne Zweifel ist es das erste Mal in ihrer Geschichte, dass Google, die selbst das Internet revolutioniert hat, mit einer disruptiven Technologie konfrontiert wird. Das bedeutet allerdings nicht ohne Weiteres, dass diese den eigenen Siegeszug wiederholt und den Kraftprotz mit Nadelstichen zur Strecke bringt. Denn im Gegensatz zu dem Suchmaschinengiganten sieht sich die junge KI-Avantgarde von Beginn an mit einem geradezu blühenden Wettbewerb konfrontiert, darunter Google selbst, die der Konkurrenz keineswegs das Feld überlässt.
Fragmentierter Wettbewerb
Hinzu kommt, dass die Google-Suche bei Milliarden Nutzern nicht nur geübte Praxis, sondern auch als verlässliche Quelle der Wahl fest verankert ist. Die hochgesteckten Hoffnungen von Microsoft-Chef Satya Nadella, dass mit dem anfänglichen Hype um ChatGPT auch der Suchmaschinenmarkt gänzlich neu aufgerollt würde, haben sich nicht erfüllt. Die Microsoft-Suche Bing verharrt auf Computern bei 12%, auf mobilen Geräten in der Bedeutungslosigkeit. Der Markt bleibt jenseits von Google fragmentiert, was dem Konzern wiederum zum Vorteil gereicht, da die Werbetreibenden sich eher auf die meistfrequentierte Plattform konzentrieren. Auch die Ankündigung von Apple, andere KI-Suchprogramme auf dem iPhone zu integrieren, wird für Google die Welt nicht aus den Angeln heben, denn ihre Suchmaske bleibt die Standardoption, weil sie allein Apple jährliche Einnahmen von 20 Mrd. Dollar sichert. Für die Nutzer hat die inzwischen mit KI-Textergebnissen angereicherte traditionelle Linkliste der Suchmaschine bisher ihre Attraktivität bewahrt. Die jungen KI-Stars müssen den Innovationsdruck schon sehr spürbar erhöhen, wenn sie ihrerseits die Internetsuche revolutionieren wollen.