Notiert InBerlin

Gute Drehtür, schlechte Drehtür

Studien zeigen, dass Politiker mit persönlichen Erfahrungen in der freien Wirtschaft eine wachstumsfreundlichere Politik machen. Darauf hofft auch Bundeskanzler Friedrich Merz.

Gute Drehtür, schlechte Drehtür

Notiert in Berlin

Gute Drehtür, schlechte Drehtür

Von Andreas Heitker

Zu den markanten Unterschieden von Schwarz-Rot und der früheren Ampel-Koalition gehört sicherlich der deutlich höhere praktische Erfahrungsschatz in der Wirtschaft, den das heutige Kabinett vorweisen kann. Bundeskanzler Friedrich Merz, der selbst ebenfalls seine Blackrock-Jahre in die Waagschale werfen kann, ist ja durchaus ein Überraschungscoup gelungen, dass er mit Karsten Wildberger (Ex-Ceconomy) und Katherina Reiche (Ex-Westenergie) gleich zwei Unternehmenschefs in die Regierung locken konnte. Hinzu kommt von SPD-Seite auch noch Verena Hubertz, die vor ihrer politischen Karriere ja auch schon ein erfolgreiches Start-up auf die Schienen gesetzt hatte.

Es scheint, als hätte Merz die kurz vor der Regierungsbildung vom Ifo Institut veröffentlichte Evaluierung gelesen, nach der auch die internationale Forschung zeigt, dass Unternehmer erfolgreich Politik machen können. Politiker, die schon als Unternehmer aktiv waren oder andere Erfahrung in der freien Wirtschaft gesammelt haben, betrieben eine andere Wirtschaftspolitik und beeinflussten makroökonomische Variablen auf andere Art und Weise als Politiker ohne diese Erfahrung, lautete das Ifo-Fazit. „Gesellschaften, die marktorientierte Wirtschaftspolitik befürworten und langfristig ihr Wirtschaftswachstum steigern wollen, sollten mehr Unternehmer für die Politik begeistern.“ Die Ifo-Forscher regen daher auch an, über eine bessere Bezahlung öffentliche Ämter attraktiver für Unternehmer zu machen.

Ein Kabinett mit mehr Wirtschaftsexpertise: Bundeskanzler Friedrich Merz (1. Reihe rechts) mit u.a. Katherina Reiche (1. Reihe, 2. von links), Karsten Wildberger (2. Reihe, 4. von links), Verena Hubertz (3. Reihe, rechts).
picture alliance/dpa | Hannes P Albert

Von den Wirtschaftsverbänden erhält die neue Regierungskoalition daher weiterhin Vorschusslorbeeren. In der breiten Bevölkerung sieht dies derzeit allerdings noch etwas anders aus, wie eine in dieser Woche veröffentlichte bundesweite Umfrage der Dr. Doeblin Wirtschaftsforschung zeigte: Die Befragten billigten dem Kanzler dabei eine deutlich gestiegene Wirtschaftskompetenz von 26% zu. Wirtschaftsministerin Reiche und Bauministerin Hubertz kamen hier aber nur auf 6% Anerkennung. Digitalminister Wildberger schaffte es gar nicht auf die Liste. Das Ergebnis könne wohl am ehesten mit der noch kurzen Amtszeit erklärt werden, so die Doeblin-Forscher. Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck erhielt übrigens nach einem halben Jahr Amtszeit in einer damaligen Umfrage die Wirtschaftskompetenz von 29% zugeschrieben.

Wenn „Business-Politiker“ (Ifo), die die Drehtür aus der Wirtschaft hinein in den Bundestag oder in die Regierung genutzt haben, grundsätzlich Applaus erhalten, wird der entgegengesetzte Weg weiter mit viel Misstrauen betrachtet, besonders wenn dieser wie so oft in einer Lobbytätigkeit mündet. Einer in dieser Woche veröffentlichten Auswertung von „abgeordnetenwatch.de“ zeigt, dass in Berlin mindestens 670 Interessensvertreter arbeiten, die vormals im Bundestag, der Regierung oder der Bundesverwaltung tätig waren – darunter auch ehemals enge Mitarbeiter der heutigen Bundesregierung. Für „abgeordnetenwatch“ ist dies ein „sytemisches Problem“.

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