LeitartikelIWF-Frühjahrstagung

IWF mit klarem Signal für Deutschland

Die Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds wird im Zeichen der Erleichterung über die weiche Landung der Weltwirtschaft stehen. Zugleich wird Deutschland aber ermahnt, seine Verantwortung für Wachstum und Produktivität ernst zu nehmen.

IWF mit klarem Signal für Deutschland

IWF-Frühjahrstagung

Deutschlands Verantwortung

Der IWF wird bei seiner Frühjahrstagung Deutschland in die Pflicht nehmen für mehr Wachstum und Produktivität.

Von Peter De Thier

Mit größerer Gelassenheit als in vergangenen Jahren wird der Internationale Währungsfonds (IWF) nächste Woche seine turnusmäßige Frühjahrstagung einläuten. So ist mit keinen großen Beschlüssen zu rechnen, weder zu der immer wiederkehrenden Diskussion um eine Quotenerhöhung noch zu neuen Kredittöpfen, die der Fonds in Krisenzeiten gelegentlich aus der Taufe hebt. Der wichtigste Grund für die entspannte Atmosphäre in Washington wird aber nicht nur das Fehlen von komplexen Diskussionen über die künftige Ausrichtung der IWF-Politik sein. Positiv wird sich auf die Stimmung insbesondere die erfreuliche Entwicklung der Weltwirtschaft auswirken.

Schließlich hatten es die Finanzminister und Notenbankgouverneure seit 2020 mit einer Krise nach der anderen zu tun. Erst mit dem Konjunktureinbruch als Folge der Corona-Pandemie, dann hartnäckigen Engpässen in den globalen Lieferketten und als Ergebnis dieser Störungen der höchsten Inflation seit über 20 Jahren. Selbst 2023 ging noch die Angst vor einer möglichen Weltrezession oder Stagflation um. Die Schreckensszenarien, die unter anderem prominente Schwarzmaler wie J.P.-Morgan-Chef Jamie Dimon gezeichnet hatten, sind aber allesamt ausgeblieben. Anstelle einer Rezession kam es zu einer weichen Landung; und obwohl die Teuerung noch zu hoch ist, scheinen die Währungshüter die Inflation wenigstens im Griff zu haben. Ein „Grund zum Aufatmen“ also, wie die geschäftsführende IWF-Direktorin Kristalina Georgiewa treffend sagte, aber dennoch kein Anlass zu voreiligem Optimismus. 

Schließlich sind die Risiken und Herausforderungen, vor denen die Weltwirtschaft steht, weiter immens. Absolute Priorität muss der Kampf gegen die Inflation bleiben. Aber es geht auch um den Wiederaufbau der fiskalischen Reserven. Diese hatten die Staaten eingesetzt, um die Wirtschaft gegen die Folgen der Pandemie abzufedern. Sie sind jetzt weitgehend erschöpft. Das Problem: Der Wiederaufbau dieser Haushaltspuffer muss einhergehen mit einem Abbau der ausufernden Staatsschulden. Und das ist heikel.

Auch weist der Währungsfonds darauf hin, dass allgemein niedrige Produktivität wohl die Hauptursache der mittelfristig gedämpften Aussichten ist. So wird der neue Weltwirtschaftsausblick (WEO) für die kommenden Jahre Wachstumsraten von etwas über 3% prognostizieren. Im historischen Vergleich ein eher schwacher Wert. Daher gilt es, produktivitätssteigernde Investitionen voranzutreiben, vor allem in den Übergang zu erneuerbaren Energien und der Digitalisierung der Wirtschaft. So gesehen steht die Tagung im Zeichen einer gewissen Erleichterung über die Gefahren, denen die Weltwirtschaft ausgewichen ist. Allerdings sind die transformativen Aufgaben, vor denen die Politiker und auch Unternehmen im Moment stehen, auch nicht viel kleiner.

Der World Economic Outlook (WEO) des IWF dürfte insbesondere Bundesfinanzminister Christian Lindner zu denken geben, der mit Bundesbankpräsident Joachim Nagel nach Washington reisen wird. Schließlich werden die USA wieder ihrer Rolle als Wachstumslokomotive gerecht und bleiben unter den Industrienationen die treibende Kraft hinter dem moderaten Wachstum der Weltwirtschaft. Deutschland fungiert dagegen als Schlusslicht unter den G7-Ländern. Deshalb wird der Währungsfonds dringend notwendige Strukturreformen bei der Bundesregierung anmahnen und mehr Investitionen in die Infrastruktur verlangen, weil sie dort seit Jahren rückläufig sind.

Auch muss Deutschland verstärkt in die Digitalisierung investieren, mahnt der IWF. Ein weiteres Problem stellt der Rückgang der arbeitenden Bevölkerung dar, je mehr Vertreter der Babyboomer in das Rentenalter eintreten. Die spezifischen Probleme einzelner Länder oder die Wachstumsprognosen, die ein weiteres Mal nach unten korrigiert werden könnten, dürften bei der Tagung zwar keine allzu große Rolle spielen. Aber die strukturellen Themen sollten Lindner und seiner Delegation ein Weckruf sein – und sie daran erinnern, dass die größte europäische Wirtschaft im globalen Gefüge auch eine Wachstums- und Fortschrittsverantwortung hat.

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