KommentarSteuerschätzung

Klingbeils Nagelprobe

Die Haushaltsaufstellung in den nächsten Wochen wird mit der aktuellen Steuerschätzung zu einer echten Belastungsprobe für die neue Regierung.

Klingbeils Nagelprobe

Steuerschätzung

Klingbeils Nagelprobe

Von Andreas Heitker

Die Bundesregierung hat eher ein Ausgaben- als ein Einnahmenproblem. Jetzt rächen sich teure Wahlgeschenke.

Im vergangenen Oktober war die Steuerschätzung quasi der Sargnagel der Ampel-Koalition. Nachdem noch größere Haushaltslöcher offenbar geworden waren, war das rot-gelb-grüne Bündnis keine zwei Wochen später Geschichte. Jetzt hat der Arbeitskreis Steuerschätzung die Prognosen noch einmal gesenkt. Bis 2029 sind nun für alle Gebietskörperschaften zusammen satte 81 Mrd. Euro weniger als noch im Herbst zu erwarten, allein beim Bund fehlen in dieser Zeit 33 Mrd. Euro. Dieses Mal ist trotzdem keine neue Regierungskrise in Berlin zu erwarten.

Die Steuerschätzung, sagt Bundesfinanzminister Lars Klingbeil, sei in dieser Höhe auch schon weitgehend in den Koalitionsverhandlungen erwartet und eingepreist worden. Wenn dem so ist, fragt man sich aber einmal mehr, warum Union und SPD nicht auf ihre teuren Wahlgeschenke verzichten konnten: 4 Mrd. Euro pro Jahr für die Mütterrente, 4 Mrd. Euro pro Jahr für die Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie.

Wachstumsschwäche drückt Steuereinnahmen

Schon zum dritten Mal hintereinander werden die Steuerprognosen nach unten revidiert. Das ist ein Alarmzeichen. Die schwächere Einnahmebasis hat natürlich ihren Grund: Sie ist im Wesentlichen auf das nun auch in diesem Jahr ausbleibende Wachstum zurückzuführen. Es ist richtig, dass die neue Bundesregierung erst einmal neue Dynamik in der Wirtschaft entfachen will. Die Entlastungen im Koalitionsvertrag, so haben es Ökonomen errechnet, summieren sich allerdings auf immerhin 50 Mrd. Euro pro Jahr. Das kostet natürlich erst einmal Einnahmen.

Hat Deutschland auch ein Ausgabenproblem?

Die Haushaltsberatungen in den nächsten Wochen, die ohnehin der erste wirkliche Belastungstest für das neue Regierungsbündnis sind, dürften sich durch die jetzt vorliegende Steuerschätzung noch einmal zusätzlich erschweren. Damit sollte auch dem Letzten in Union und SPD klar geworden sein, dass die oft beschworene Haushaltskonsolidierung kein leeres Versprechen sein darf. Willkommen in der Realität, schwarz-rote Arbeitskoalition!

Und vielleicht sollte im Zuge einer Konsolidierung doch noch einmal über die These nachgedacht werden, die insbesondere der frühere Finanzminister Christian Lindner lange Zeit gebetsmühlenhaft verbreitet hatte: Vielleicht hat Deutschland ja tatsächlich nicht nur ein Einnahmen-, sondern vor allem ein Ausgabenproblem. 2026 steigen die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden immerhin erstmals auf über eine Billion Euro.

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