Biotechunternehmen

Kurzlebiger Starkult

Die Politik sollte die von Impfstofferfolgen ausgelöste Aufmerksamkeit für die Biotech nutzen, um der Branche mehr Unterstützung zu geben.

Kurzlebiger Starkult

Mit den Impfstofferfolgen in der Pandemiebekämpfung haben die Biotechunternehmen Biontech und Moderna ihre Branche ins Rampenlicht gesetzt. Nicht die traditionellen Vakzinhersteller hatten die Nase vorn, sondern junge Unternehmen, die nach intensiver Forschung an einer neuen genbasierten Technologie mit ihrer allerersten Produktzulassung einen globalen Coup landen konnten – in einer medizinischen Notwendigkeit, die ihresgleichen sucht.

Der Triumph von Biontech ist besonders aufsehenerregend, wurde doch speziell deutschen Biotechfirmen jahrzehntelang bescheinigt, sie würden international unveränderlich hinterherhinken. Doch ein allgemeiner Aufholprozess ist bei aller Euphorie leider auch jetzt nicht zu erkennen. So sehr die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und von Investoren zugenommen hat, für einen Starkult ist es, was den deutschen Markt anbelangt, zu früh. Denn außerhalb der Leuchttürme hat sich für die Branche wenig verbessert.

Die deutsche Biotech führt seit Jahrzehnten ein Schattendasein und kämpft in schwierigen Rahmenbedingungen um die Gunst von Investoren und Politik. In den USA ist es für Firmen der Branche schon lange deutlich leichter, Risikokapital einzuwerben. Dort gibt es erheblich mehr Investoren, die sich nachhaltig in dem Segment engagieren. Die Bewertung des Sektors war in den vergangenen Jahren exorbitant höher als die der europäischen Counterparts. Deutsche Biotechunternehmen bezeichnen die mühsame Kapitalsuche schonmal als Höllenritt. Zwar haben sich mit den Gebrüdern Strüngmann und dem SAP-Gründer Dietmar Hopp zwei Family Offices um die Branche verdient gemacht, doch für eine breite Finanzierung braucht es „mehr als zwei Milliardäre“, wie es ein Berater treffend formuliert. Für ein stabiles Fundament reichen einzelne potente Geldgeber nicht aus, nötig ist ein Netzwerk an Investoren, um ein freundliches Finanzierungsklima zu schaffen.

Auch das deutsche Börsenumfeld ist ein Bremsklotz für die deutsche Biotech. Es sind nicht nur Bewertungsdifferenzen, mangelnde Investorenvielfalt und eine fehlende Peergroup, die ein IPO an der US-Börse Nasdaq deutlich attraktiver machen. Es sind auch regulatorische Hemmnisse, die Firmen zur Abkehr vom heimischen Kapitalmarkt veranlassen. So ist zum Beispiel eine Kapitalerhöhung ohne Bezugsrecht für ein beschleunigtes Bookbuilding hierzulande auf 10% des Grundkapitals beschränkt, was eine aktive Ansprache neuer Investoren erschwert. Noch gravierender sind deutlich konservativere Übernahmeregelungen, was in der Branche als erheblicher regulatorischer Nachteil angesehen wird und sich spürbar in der Bewertung der Firmen niederschlägt. Mit Ausweitung der Investitionskontrolle im Zuge weltweiter Handelskonflikte ist dieses Hindernis noch größer geworden.

Die chronische Unterfinanzierung der deutschen Biotech hat sich mit dem Lichtblick einer Biontech also bislang nicht grundlegend verändert. Der Branchenverband Bio  Deutschland stuft die Finanzierungsbedingungen unverändert als problematisch ein. Alarmieren muss es zudem, dass Verbandsvertreter mit Blick auf die Produktion von Biotech-Wirkstoffen davor warnen, dass hiesige Firmen Gefahr laufen, hinter der angriffslustigen Konkurrenz aus Asien zurückzufallen.

Die Politik sollte die Gunst der Stunde nutzen und der deutschen Biotech mehr Rückendeckung geben. Das kann sich zunächst in der Bekämpfung von Corona auszahlen, denn Covid-19 ist als endemische Krankheit einzustufen, so dass Impfstoffe und Medikamente dauerhaft weiterentwickelt werden müssen – und hier haben im Schlepptau von Biontech zahlreiche Biotechunternehmen aussichtsreiche Produktkandidaten in der Pipeline. Diese sollten nicht verkümmern.

Gleichwohl darf der politische Wille nicht in der Coronabekämpfung enden. Es ist an der Zeit, über alle Therapiegebiete hinweg flexiblere Förderstrukturen aufzubauen, zumal die öffentliche Hand bislang vor allem Grundlagenforschung unterstützt und nicht die klinische Entwicklung von Pharmaprodukten. Es braucht zudem mit Blick auf die Verbreiterung der Investorenbasis wirksame steuerliche Anreize für Risikokapitalgeber. Kreative Vorschläge hat die Branche hier zuhauf präsentiert. Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht dabei nicht etwa, am Ende Investoren die Taschen zu füllen. Das ist Mittel zum Zweck. Der politische Auftrag besteht darin, innovative wissenschaftliche Forschung in den Markt zu bringen.

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