Monstergeschäft mit Labubu
Notiert in Schanghai
Monstergeschäft mit Labubu
Von Norbert Hellmann
Drei Silben prägen die Gemütslage der Nation: „Labubu“. Sie sorgen für kollektive Begeisterungs- und Adrenalinschübe, abgelöst von Wellentälern der Enttäuschung und Verzweiflung. Eine höchst ansteckende Angelegenheit, die bereits auf andere Länder übergreift. Das freilich jenseits der Wahrnehmungsschwelle der Weltgesundheitsorganisation. Es geht um fieberhaften Kaufrausch mit Plüschtieren, Puppen und Figürchen des immens erfolgreichen chinesischen Spielwarenanbieters Pop Mart.
Anders niedlich
Labubu ist das Top-Produkt aus der Monster-Serie und eine bewusst knapp gehaltene Ware, die Sammelleidenschaft schürt. Eine flauschige Stoffpuppe mit Hasenohren, Knopfaugen, roten Wangentupfern und einem schelmischen Grinsen, das von einer zackigen Zahnreihe akzentuiert wird. Im Mai wurde die Neuauflage Labubu 3.0 lanciert. Damit erreicht die Epidemie einen neuen Höhepunkt. Warum die Begeisterung? Durch Niedlichkeit mit einem Anflug von Bosheit (Hello Kitty zeigt Kante) trifft das verspielte Monster einen Nerv bei der Generation Z und den berüchtigten „Kidults“, also bewusst kindliche Verhaltensweisen pflegende Erwachsene.
Börsen-Highflyer
Seit der Pandemie feiern Ladenketten für Schnickschnack rauschende Erfolge in Zeiten eines allgemeinen Konsum-Downgrading. Pop Mart, die aberhunderte von eigenentwickelten Produkten im Angebot hat, ist hier Marktführer. Der Jahresumsatz 2024 verdoppelte sich auf umgerechnet 1,6 Mrd. Euro. Eine traumhafte Bruttomarge von 67% elektrisiert die Anleger. Der Aktienkurs verzehnfachte sich binnen eines Jahres. Prompt gehört Pop Mart bei gut 40 Mrd. Euro Marktkapitalisierung bereits zu den 40 wertvollsten Börsenunternehmen in China.
Blind-Box-System
Eines der Erfolgsgeheimnisse ist die Vermarktungsform der „Blind-Box“-Verpackungen, deren Inhalt man nicht einsehen kann. Sie werden typischerweise zu Preisen zwischen 60 und 120 Yuan (7,50 bzw. 15 Euro) verkauft und enthalten alles Mögliche aus der weitreichenden Pop-Mart-Kollektion. Ab und zu lässt sich mit statistischer Wahrscheinlichkeit von 1:50 auch mal ein Labubu-Modell ergattern. Zahllose Tiktok-Videos halten diese besonderen, mit unfassbar schrillen Glücksschreien begleiteten Momente fest – oder die Bildstrecken mit maßloser Enttäuschung der Konsumenten über labubulose Schachteln.
Schwarzhändler am Drücker
Pop Mart reitet die Welle mit Sonderaktionen in Form von „Pop-up-Stores“, also temporären Showrooms. Vor dem Schanghaier Kerry Center braucht es dafür Absperrungen zur Kanalisierung des Besucherstroms, die einem Flughafenterminal zur Ehre gereichen. Im Pop Mart Pop-up-Store einfach so aufpoppen und einkaufen geht übrigens nicht. Um tatsächlich Ware abzuholen, bedarf es schwer zu ergatternden Buchungs-Slots. Frust auch im Onlinehandel, wo man bei Labubu fast nie zum Zug kommt, weil Chinas legendäre Schwarzhandelsprofis auf Zack sind. Mit Spezialalgorithmen werden die zackenzahnigen Neueditionen in Millisekunden abgegriffen und zu Traummargen weiter verscheppert.