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Neuer Glanz für die Schnalle des Bible Belt

Waco ist im kollektiven amerikanischen Gedächtnis mit seiner dunklen Historie verknüpft. Doch ist die texanische Stadt seit einigen Jahren ein Beispiel für gelungenen Strukturwandel.

Neuer Glanz für die Schnalle des Bible Belt

Notiert in Waco

Die Schnalle des Bible Belt glänzt wieder

Von Alex Wehnert

Waco erlebt seit 2015 einen Shopping-Boom. Losgetreten hat diesen, so berichten es Studenten und Absolventen der Baylor University, um die das Leben in der texanischen 150.000-Einwohner-Stadt kreist, ein einziger Einrichtungsladen: Der Magnolia Market, damals vom aus der Renovierungs-TV-Show „Fixer Upper“ bekannten Paar Chip und Joanna Gaines eröffnet, ist zu einer Touristenattraktion geworden. Allein zwischen Oktober 2015 und November 2016 statteten ihm laut den Betreibern rund 1,2 Millionen Menschen einen Besuch ab, seither sind Scharen von weither Gereisten hinzugekommen.

Folglich hat Familie Gaines den Komplex, dessen Herzstück zwei im Jahr 1950 für die Brazos Valley Cotton Oil Company gebaute Silos bilden, ausgeweitet. Inzwischen sind auf der Fläche von zwei Stadtblocks unter anderem ein Retail-Laden, ein Food-Truck-Park und eine Bäckerei zu finden. Baylor-Alumni schütteln verwundert mit dem Kopf, wenn sie nahe ihrer Alma Mater auf mit Einkaufstüten behangene Touristen treffen, die gemütlich durch neu geschaffene „Bezirke“ wie den Silo District oder den Waco Downtown Cultural District streifen oder Erinnerungsfotos vom nur 22 Stockwerke hohen Alico Building, dem höchsten Gebäude der Stadt, schießen.

Schub für die lokale Wirtschaft

Denn der Magnolia Market, in dem regelmäßig Festivals und Konzerte stattfinden, hat der lokalen Wirtschaft insgesamt einen Aufschwung beschert. Das nahe Dr. Pepper Museum, das dem aus dem „Herzen von Texas“ stammenden Softdrink gewidmet ist, vermeldete im Nachgang der Eröffnung des Einrichtungsladens einen Besuchersprung um 60%. Im Umkreis finden sich inzwischen Kunstgalerien, Cafés und moderne Hotels, wo vor wenigen Jahren noch Parkplätze, Autowerkstätten und zwielichtige Kneipen das Bild prägten.

Waco, als „Buckle of the Bible Belt“ („Schnalle des Bibelgürtels“) bekannt, wird damit zum Beispiel für einen Strukturwandel, wie er nur wenigen Gemeinden in den ländlicheren USA gelungen ist. Das zeigt auch, welche Wirkung der Einsatz berühmter Söhne und Töchter vermeintlich abgehängter Gegenden für ihre Heimat haben kann. Denn Waco ist im kollektiven amerikanischen Gedächtnis eigentlich weniger als Shopping-Mekka und noch nicht einmal als Universitätshochburg verankert – sondern vorrangig mit seiner dunklen Historie verknüpft.

Düstere Historie

Im 20. Jahrhundert war Waco Schauplatz brutaler Lynchmorde, 1953 kostete der tödlichste Tornado der texanischen Geschichte 114 Menschenleben. Vor allem ruft der Name Erinnerungen an den „Waco Siege“ von 1993 wach, in dessen Zuge bei einer Schießerei vier Agenten des Bureau of Alcohol, Tobacco, and Firearms (ATF) und sechs Mitglieder der Sekte Branch Davidians zu Tode kamen. Durch einen Brand im Mount Carmel Center im Nordosten der Gemeinde starben 76 weitere Mitglieder des Kults. Waco versucht die düstere Konnotation seither abzuschütteln – ein Einrichtungsladen sorgt dafür, dass die Schnalle des Bible Belt wieder glänzt.

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