Orcel bleibt eine Wundertüte
Unicredit/Commerzbank
Riskante
Wette
Von Anna Sleegers
Er sagt das eine, und tut das andere. Schon wieder hat Unicredit-Chef Andrea Orcel die Öffentlichkeit an der Nase herumgeführt. Vor gerade einmal vier Wochen gab er zum Besten, dass er „weit entfernt“ von einem Übernahmeangebot für die vermeintlich fundamental überbewertete Commerzbank sei. Doch jetzt hat die italienische Großbank 10% ihrer aktuellen „synthetischen Position“ umgewandelt. Unicredit ist mit 20% die größte Einzelaktionärin, noch vor dem Bund, dessen Anteil etwa halb so groß ist.
Orcel scheint auf Durchmarsch zu spielen
Und Orcel will mehr. Mit den Genehmigungen der europäischen und der US-Bankenaufsicht und des Bundeskartellamts in der Tasche, will er auch die verbleibenden Finanzinstrumente „zur gegebenen Zeit“ umwandeln, wodurch sich Unicredits Anteil auf 29% erhöhen würde. Danach wäre ein öffentliches Übernahmeangebot fällig. Alles sieht danach aus, als ob die Italiener bei der Commerzbank auf Durchmarsch spielen wollen. Oder?
Gegen eine Mehrheitsübernahme spricht nicht nur der Widerstand, für den Vorstand und Management der Commerzbank im befremdlichen Schulterschluss die Belegschaft mobilisiert haben. Auch die neue Bundesregierung hat sich mit klaren Worten gegen eine Übernahme positioniert.
Abenteuer mit ungewissem Ausgang
Doch eine feindliche Bank-Übernahme wäre ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Denn es gibt keine Produktionsanlagen, die Kostenvorteile versprechen und die einhergehenden Nachteile womöglich kompensieren würden. Wie bei allen Dienstleistern ist das wichtigste Asset von Banken ihre Belegschaft und deren Beziehungen zur Kundschaft. Um Mehrwert zu stiften, braucht es daher die Unterstützung der Beschäftigten – möglichst auf allen Managementebenen. Gelingt dies nicht, drohen die Vorzüge des Zielunternehmens in den Händen der Käuferin zu zerrinnen wie Eis in der Sonne.
Refinanzierungsnachteile drohen
Speziell Banken brauchen aber auch die Akzeptanz der Politik. Zwar sichert die Zustimmung der bei der Zentralbank angesiedelten Bankenaufsicht Unicredit implizit den Zugang zum „Lender of Last Resort“ und wird daher bei etwaigen Liquiditätsengpässen nicht auf dem Trocknen sitzen bleiben. Doch bis zur Vollendung der Bankenunion bleiben die europäischen Häuser auch auf die Unterstützung der nationalen Regierungen angewiesen. Denn jeder Zweifel daran, dass ihnen der Staat im Fall des Falles mit Steuergeld zur Seite springt, treibt die Refinanzierungskosten in die Höhe.
Neue Kehrtwendung möglich
Allerdings muss die Ausübung der Optionen nicht zwingend in einem Übernahmeangebot münden. Orcel meint nicht immer, was er sagt. Vielleicht sind es gar nicht die Commerzbank-Aktien, die ihm zu teuer sind. Sondern die Kontrakte mit den beteiligten Investmentbanken, sie sich durch den spektakulären Kurszuwachs ebenfalls verteuern. Indem er Buchgewinne realisiert, profitiert er auch von der großzügigen Ausschüttungspolitik der Commerzbank. Gut möglich also, dass auch der nächste (oder übernächste) Teil der Saga eine spektakuläre Wendung nimmt.
Unicredit steigt zum größten Commerzbank-Aktionär auf, doch dass ein Übernahmeangebot kommt, ist keineswegs ausgemacht.