KommentarTarifeinigung bei der Bahn

Problematische Entwicklung bei der Arbeitszeit

Bahnmitarbeiter im Schichtdienst können künftig ihre Arbeitszeit pro Woche bei gleichbleibendem Gehalt auf 35 Stunden reduzieren. Eine Entwicklung, die in Deutschland aktuell im Trend ist. Für die Perspektiven des Standorts hat das aber negative Folgen.

Problematische Entwicklung bei der Arbeitszeit

Deutsche Bahn

Problematische Entwicklung

Von Martin Pirkl

Am Ende hat sich die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) im erbittert geführten Tarifstreit mit der Deutschen Bahn fast auf ganzer Linie durchgesetzt. Die Mitarbeiter können auf Wunsch ihre Wochenarbeitszeit bis 2029 stufenweise von derzeit 38 auf 35 Stunden reduzieren. Wer lieber mehr verdient, als weniger zu arbeiten, kann bei höherem Lohn weiter bei 38 Stunden bleiben oder gar auf 40 Stunden aufstocken.

Diese Flexibilität ist ein großer Pluspunkt der Tarifeinigung. So wird niemand gezwungen, weniger zu arbeiten, als er oder sie möchte. Die Bahn wiederum muss darauf hoffen, dass einige ihrer Mitarbeiter lieber mehr als weniger arbeiten. Denn sonst hat sie schnell ein Problem mit den Schichtplänen. Zu Recht hat die Bahn immer wieder darauf hingewiesen, dass ihr die Beschäftigten fehlen, um die Wochenarbeitszeit aller auf 35 zu reduzieren. Aufgrund der Streikmacht der GDL sind diese Bedenken bei der Gewerkschaft jedoch auf taube Ohren gestoßen. Am Ende blieb der Bahn nichts übrig, als nachzugeben.

Verschärfung des Fachkräftemangels

Einfach so neue Mitarbeiter einzustellen, um die reduzierte Arbeitszeit der Belegschaft aufzufangen, wird nur schwer möglich sein. Schließlich mangelt es an Arbeitskräften in Deutschland. Der neue Tarifvertrag wird die Attraktivität der Bahn als Arbeitgeber zudem nur wenig erhöhen. Schichtbetrieb ist für viele Menschen nicht erstrebenswert, daran ändert auch die Möglichkeit einer 35-Stunden-Woche nichts.

Weniger Arbeitszeit pro Tag oder gar eine Vier-Tage-Woche sind in Deutschland voll im Trend. So verständlich das auch aus der Sicht der einzelnen Arbeitnehmer ist, aus volkswirtschaftlicher Perspektive ist das eine problematische Entwicklung. Schließlich führt der demografische Wandel dazu, dass bereits ohne eine Reduzierung der Arbeitszeit das Personal knapp wird.

Da bleiben den Firmen nur zwei Möglichkeiten, um dies aufzufangen: mehr qualifizierte Zuwanderung und eine höhere Produktivität. Jedoch ist Deutschland derzeit für qualifizierte ausländische Fachkräfte nicht sonderlich attraktiv. Und die Produktivität sinkt aktuell, statt zu steigen. Trübe Perspektiven für den Standort.

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