Britischer Haushalt: Doubling Down
Britischer Haushalt: Doubling Down
Britischer Haushalt
Doubling Down
Bildung, Beschäftigung und private Vorsorge besteuern. Mehr kann Labour kaum falsch machen.
Von Andreas Hippin
Die britische Schatzkanzlerin Rachel Reeves hat bei der Vorstellung ihres Haushalts mehr von Fairness als von Wachstum gesprochen. Doch ihre Maßnahmen werden dafür sorgen, dass beides immer schwerer zu erreichen sein wird. Nie war die Belastung der arbeitenden Menschen durch Steuern und Abgaben in der Nachkriegszeit größer als unter dieser Regierung. Das ist an sich schon ein Hemmschuh.
Wahrhaft toxisch ist jedoch die Art der Maßnahmen. Bereits im vergangenen Jahr entschied sich Reeves dafür, Mehrwertsteuer auf die von Privatschulen erhobenen Schulgebühren zu verlangen. Das brachte zwar nicht die erhofften Einnahmen. Es führte aber zu einem Ansturm auf staatliche Schulen, die einen guten Ruf genießen, insbesondere auf die wenigen Gymnasien, die Labours Schulreformen der Vergangenheit überlebten. Für den Kampf um die knappen Plätze brachten Kinder aus wohlhabenden Familien natürlich bessere Voraussetzungen mit als Habenichtse aus Sozialwohnungsblocks.
Weniger gute Jobs
Ebenso verheerend ist die Bilanz der Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitgeber. Dadurch wird Beschäftigung stärker besteuert. Seit dem Amtsantritt von Reeves sank die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse – der guten Jobs also, die Labour immer wieder verspricht – um mehr als 100.000.
Die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns sorgte vor allem bei Arbeitgebern aus Gastronomie und Einzelhandel für Pläne, die Belegschaft zu schrumpfen. Reeves schraubt ihn weiter nach oben, denn schließlich kostet sie das nichts. Zudem handelt es sich um eine schöne Idee, die prima zum Robin-Hood-Denken der urbanen Eliten passt, die Labour wählen.
Unternehmen halten sich zurück
Weil sich Reeves 13 Monate Zeit ließ, um ihren zweiten Haushaltsentwurf vorzulegen, hielten sich Unternehmen mit Neueinstellungen und Investitionen spürbar zurück. Schließlich wurde angesichts der aus dem Ruder laufenden öffentlichen Ausgaben bereits mit weiteren Steuer- und Abgabenerhöhungen gerechnet. Mit 26 Mrd. Pfund blieben sie zwar etwas hinter den 32 Mrd. Pfund des vergangenen Jahres zurück. Doch glaubt man Labour nicht, dass das die letzte Runde war.
Ein echter Geniestreich der Karrierebeamten des Schatzamts ist die Erhebung von Sozialversicherungsabgaben auf Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge. Man kann sie schlecht besteuern, weil der Fiskus bei Auszahlung der angesparten Beträge ohnehin zugreift. Aber National Insurance, das geht immer. Es ist nur ein verheerendes Signal. Denn viele Unternehmen werden ihre Zuschüsse zu solchen Altersvorsorgeplänen reduzieren, wenn ihnen zusätzliche Kosten aufgeladen werden. Eigenverantwortung wurde in Großbritannien immer groß geschrieben. Nun wird sie bestraft.
„Von Frau zu Frau“
Reeves verlas ihren Haushalt wie eine Anklageschrift. Denn schuld an der Misere der öffentlichen Finanzen sind natürlich die anderen: die verhassten Konservativen, der Brexit, die Pandemie und der Krieg in der Ukraine. Von kritischen Journalisten fordert sie mehr Respekt. Zudem beklagt sie sich über „Mansplaining“ und Misogynie. Die Tory-Führerin Kemi Badenoch wies dankenswerterweise „von Frau zu Frau“ darauf hin, dass politische Gegner Reeves nicht wegen ihres Geschlechts kritisieren, sondern wegen ihrer unbeschreiblichen Inkompetenz. Respekt müsse man sich verdienen.
Doubling Down bei den Steuererhöhungen funktioniert vielleicht, wenn man die Ausgabenseite unter Kontrolle hat. Doch Reeves will die staatliche Rente im April um 4,8% erhöhen. Empfängern anderer Transfers ist, anders als Berufstätigen, ein Inflationsausgleich sicher. Und Kindergeld gibt es künftig nicht nur für zwei Kinder, sondern solange, bis der einst von George Osborne eingeführte Sozialleistungsdeckel von 1.835 Pfund monatlich für Paare und Alleinerziehende erreicht wird. In London liegt er bei 2.110 Pfund. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis dieser Deckel gelüftet wird.
