Zürich

Schweiz beißt sich an ihrem Bankgeheimnis die Zähne aus

Die Schweiz ist daran ihre Verrechnungssteuer zu reformieren um das grosse Potential des Kapitalmarktes besser auszuschöpfen. Weil das Bankgeheimnis nicht aus der Welt zu bringen ist muss das Land den Steuerhinterziehern ein neues Schlupfloch öffnen.

Schweiz beißt sich an ihrem Bankgeheimnis die Zähne aus

Seit Europa den automatischen Informationsaustausch praktiziert, ist das steuerliche Bankgeheimnis obsolet. Doch innerhalb der Schweiz lebt es trotzdem weiter, wie das Parlament im Rahmen einer Debatte über eine Teilabschaffung der „Verrechnungssteuer“ in Erinnerung gerufen hat.

Worum geht es? Vor ein paar Monaten hat die Schweizer Regierungsbehörde, der Bundesrat, unter Anleitung von Finanzminister Ueli Maurer dem Parlament einen Vorschlag unterbreitet, wie die Verrechnungssteuer zu reformieren wäre. Die Steuer in Höhe von 35% wird vorsorglich auf Kapitalerträge erhoben, damit die Dividenden und Zinsen von den Steuerpflichtigen auch wahrheitsgetreu als Einkommen deklariert werden. Nach der Deklaration erhalten zumindest die Steuerpflichtigen in der Schweiz die Sicherungssteuer vollumfänglich zurück.

Das Problem: Die Steuer hat volkswirtschaftlich schädliche Ne­benwirkungen, etwa für den Kapitalmarkt. Im Wissen, dass ausländische Investoren die Steuer nur mit einigem bürokratischen Aufwand und mit einer größeren zeitlichen Verzögerung zurückfordern können, emittieren viele Schweizer Firmen ihre Anleihen lieber im Ausland. So bleibt ein großes Potenzial des Schweizer Finanzmarktes un­ausgeschöpft. Deshalb möchten die Regierung und breite Kreise der Wirtschaftslobby die Zinserträge auf Anleihen von der Verrechnungssteuer befreien und die Umsatzabgabe auf solche Titel beseitigen. Finanzminister Maurer erhofft sich davon eine markante Belebung des „unterentwickelten“ Fremdkapitalmarktes in der Schweiz, wie er der kleinen Parlamentskammer erklärte.

Pikant: Die Verrechnungssteuer auf die genannten Zinserträge soll ersatzlos gestrichen werden. Doch so geht für Steuerhinterzieher eine neue Türe auf. „Eine wirksame Stärkung des Sicherungszwecks wäre nur mit einem komplexen neuen Steuerabzugssystem oder mit einer Einschränkung des steuerlichen Bankgeheimnisses möglich gewesen“, begründete der Bundesrat das Vorgehen. Umgangssprachlich würde die Botschaft etwa so lauten: Eine zügige Umsetzung des Plans ist lohnender, als jedem Steuerhinterzieher hinterherzusteigen. Stimmig ist dieser in den Augen der Regierung deshalb, weil die Abschaffung des Bankgeheimnisses beziehungsweise die Einführung eines Informationsaustausches in der Schweizer Bevölkerung immer noch nicht mehrheitsfähig ist.

Getestet wurde diese Behauptung allerdings nie. Zwar hatte der Bundesrat mit Blick auf die Steuertransparenz in Europa schon vor etlichen Jahren die Absicht, das Bankgeheimnis auf dem Weg einer Reform des Steuerstrafrechtes abzuschaffen und den Steuerämtern das Recht einzuräumen, schon bei Verdacht auf den nicht strafrechtlichen Tatbestand der Steuerhinterziehung Amtshilfe anzufordern. Doch der Zürcher Banker und Abgeordnete der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei Thomas Matter lief gegen das Vorhaben Sturm. Gegen den Willen seiner Branche lancierte er die Volksinitiative „Zum Schutz der Privatsphäre“, die das Bankgeheimnis in der Verfassung verankert hätte. Zu einer Volksabstimmung darüber kam es aber nie. Der Bundesrat ging dem Risiko einer Niederlage aus dem Weg und zog die Steuerstrafrechtsreform zurück, um Matter seinerseits zum Rückzug der Initiative zu bewegen.

Ironisch: Dieser konnte vorige Woche im Parlament weiter behaupten, dass es in der Schweiz keine steuerunehrlichen Bürger gebe. Er tat dies freilich im Wissen darum, dass die Steueramnestien in mehreren Schweizer Kantonen in den vergangenen zehn Jahren einige Milliarden an unversteuerten Vermögen zutage gefördert hatten.

Der links-grünen Minderheit, die schon seit Jahren für den Informationsaustausch plädiert, blieb nichts anderes übrig, als die These der Regierung und der Ratsmehrheit zu schlucken: Volkswirtschaftlich überwiegt der Nutzen eines größeren Kapitalmarktes den Schaden, den ein paar notorische Steuerhinterzieher anrichten. Diese Sicht könnte zwar durchaus zutreffend sein. Einen bitteren Nachgeschmack hat die Wahl aber allemal, umso mehr, als die Schweiz 2009 der Welt noch zugerufen hatte: „An unserem Bankgeheimnis werdet ihr euch die Zähne ausbeißen.“