Im BlickfeldInvestitionen in Infrastruktur und Verteidigung

Sondervermögen birgt viele Unbekannte

Der Bund soll kreditfinanzierte Ausgaben für zusätzliche Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung nutzen. Wie gut dies gelingt, ist offen und wenig durchschaubar.

Sondervermögen birgt viele Unbekannte

Im Blickfeld

Sondervermögen birgt
viele Unbekannte

Der Bund soll kreditfinanzierte Ausgaben für zusätzliche Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung nutzen. Wie gut dies gelingt, ist offen und wenig durchschaubar.

Von Angela Wefers

Deutschland braucht mehr öffentliche Investitionen. Die schwarz-rote Bundesregierung kann dafür künftig deutlich mehr Kredit aufnehmen als es die Schuldenbremse erlaubt. Mit dem vom Parlament gebilligten „Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität“ stehen 500 Mrd. Euro für die nächsten zwölf Jahre bereit. Für Verteidigungsausgaben gibt es überhaupt keine Begrenzung mehr durch die Fiskalregel.

Ökonomisch sinnvolle Zusatzausgaben

Die Ausgaben sollen „zusätzlich“, also über das bisherige Niveau hinaus erfolgen. Dies wird nicht nur gesetzlich verankert, sondern liegt auch ökonomisch auf der Hand: Nur wenn die kreditfinanzierten Mittel aus dem Sondervermögen zusätzliche Investitionen auslösen, stimuliert dies hierzulande Wachstum.

Werden jedoch Investitionen aus dem Kernhaushalt auf das Sondervermögen verlagert, ist die Verlockung groß, die frei gewordenen Mittel im Kernhaushalt konsumtiv einzusetzen. Die Sozialsysteme reißen aktuell Löcher beim Fiskus. Die Koalition plant zudem Mehrausgaben, etwa durch die Mütterrente. Bei konsumtiven Ausgaben würden Schuldenstandquote und Zinslast steigen, der Wachstumseffekt aber gedämpft oder gar ausbleiben. Diese Gefahr ist real: Der Sachverständigenrat für Wirtschaft hatte jüngst in seinem Frühjahrsgutachten vor solchen Querfinanzierungen gewarnt. Den Spielraum dafür bezifferten die Wirtschaftsweisen auf 1,2% der Bruttoinlandsprodukts (BIP) oder rund 50 Mrd. Euro.

Kriterium der Zusätzlichkeit

Der Bund plant für 2025 nach dem Entwurf der Ampel-Regierung aus dem vergangenen Jahr Ausgaben von 489 Mrd. Euro im Kernhaushalt. Aktuellere Zahlen gibt es nach der Bundestagswahl noch nicht. Das neue schwarz-rote Kabinett will das überarbeitete Budget am 24. Juni zusammen mit dem Finanzplan bis 2028 verabschieden. Zugleich soll auch der Gesetzentwurf zu Errichtung des Infrastruktursondervermögens und der dazugehörige Wirtschaftsplan das Kabinett passieren.

Nach dem vorliegenden Referentenentwurf will der Bund das Kriterium der „Zusätzlichkeit“ der durch Kredit finanzierten Investitionen außerhalb der Schuldenbremse zwar festschreiben, macht sich dabei aber einen schlanken Fuß. Der Schwellenwert, der für Ausgaben aus dem Kernhaushalt verankert wird, liegt spürbar unterhalb der bisherigen Werte. Dies bedeutet: Ausgaben für Investitionen und Verteidigung können aus dem Kernhaushalt des Bundes auf das Sondervermögen überwälzt und mit Krediten finanziert werden, die nicht auf die Schuldenbremse anzurechnen sind. Im Kernhaushalt entsteht Platz, um die Ausgaben für andere Zwecke als investive zu nutzen.

Investitionsquote gestiegen

Bei den Ausgaben für Investitionen ist ein Schwellenwert von 10% vorgesehen, der im Kernhaushalt erreicht werden muss, bevor das Sondervermögen zum Zuge kommen darf. Der Schwellenwert entspricht nach Angaben aus dem Bundesfinanzministerium dem Niveau der vergangenen Jahre. Im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahren lag die Investitionsquote im Bundeshaushalt mit 10,6% jedoch darüber. Klammert man die Corona-Jahre aus, in denen die exorbitant hohen Krisenausgaben die Investitionsquote nach drückten, erreichte der Wert fast 11%. In den vergangenen beiden Jahren betrug die Investitionsquote sogar 12% und sollte in den nächsten Jahren noch steigen. Zwei Prozentpunkte Investitionsquote entsprechen fast 10 Mrd. Euro, die eigentlich aus dem Kernhaushalt bezahlt werden müssten und nicht aus Krediten des Sondervermögens finanziert werden dürften, wenn das Zusätzlichkeitskriterium streng interpretiert würde.

Zuletzt hatte Bund 2024 Investitionen von 56,7 Mrd. Euro realisiert. Geplant waren ursprünglich 70,8 Mrd. Euro. Darin steckten allerdings allein 12 Mrd. Euro für das gescheiterte Generationenkapital, das eine kapitalgedeckte Komponente in die gesetzliche Rente ein

führen sollte. Dies gilt auch für die Folgejahre. Die Investitionen sollten nach der bisherigen Planung hoch bleiben: 81 Mrd. Euro in diesem Jahr laut Ampel-Regierungsentwurf, 77,5 Mrd. Euro jeweils für 2026 und 2027 sowie 70,9 Mrd. Euro für 2028. Will die Bundesregierung tatsächlich zusätzliche Investitionen tätigen, sollte sie keine Rückschau pflegen, sondern die Vorausschau nutzen.

Verteilung bleibt abzuwarten

Angekündigt sind aus dem Bundesfinanzministerium nun Investitionen von 110 Mrd. Euro für 2025. Wie sich diese auf Kernhaushalt und Sondervermögen verteilen, bleibt bis zur Kabinettssitzung abzuwarten. Bis 2029 sollen insgesamt 150 Mrd. Euro aus dem Sondervermögen die Investitionen des Bundes verstärken – rund 30 Mrd. Euro pro Jahr. Die Bundesländer sind aufgerufen, ihren Anteil von 100 Mrd. Euro aus dem Sondervermögen ebenfalls investiv einzusetzen. Die Entscheidung obliegt aber allein den Ländern.

Ähnlich budgetschonend wird bei den Verteidigungsausgaben kalkuliert. Dort gibt das Grundgesetz nach der Blitzänderung durch den Bundestag einen Schwellenwert von 1% des BIP vor. Tatsächlich finanzierte der Bund zuletzt mehr aus dem Kernhaushalt: 2024 waren es 52,0 Mrd. Euro oder 1,2% des BIP. Zusammen mit dem Bundeswehr-Sondervermögen erreichte Deutschland die Nato-Ausgabenquote von 2% des BIP. Damit fällt die Neuregelung hinter die aktuelle Lage zurück.

Intransparenz durch viele Töpfe

Die Transparenz in der Budgetpolitik leidet unter der Vielzahl der Töpfe und Verschiebeaktionen. So erhält der Klima- und Technologiefonds (KTF) 100 Mrd. Euro in zehn Jahresschritten aus dem Infrastruktursondervermögen. Der Plan der Ampel, 20 Mrd. Euro jährlich aus dem KTF zu nutzen, um Löcher im Kernhaushalt zu stopfen, wurde dagegen fallengelassen. Um diverse Klimaprogramme zu arrondieren, werden jedoch weitere Finanzbeträge verschoben. Dies mag inhaltlich sinnvoll sein. Eine Kontrolle der Budgetpolitik wird dadurch erschwert.

Kreditkosten bleiben außen vor

Wenig beachtet bleiben in der Debatte über schuldenfinanzierten Infrastrukturinvestitionen die Kosten der Kredite, die von der Schuldenbremse ausgeklammert sind. Der Bund hält sich dazu vornehm zurück. Für Zinsen waren 2024 schon 37,5 Mrd. Euro im Kernhaushalt eingeplant, nachdem in Zeiten von Überschüssen die Zinsausgaben bis 2019 auf ein Zehntel davon gesunken waren. Die Zinsen für das Infrastruktursondervermögen werden den Bundeshaushalt belasten, heißt es im Gesetzentwurf. Der Bund schultert auch den Anteil für die Länder. Welche Beträge zu erwarten sind, bleibt allerdings offen. Die Höhe der Belastung sei „derzeit nicht bezifferbar und hängt maßgeblich vom Zeitpunkt des Mittelabflusses ab“, heißt es nur lapidar. Richtig ist: Der Bund verschuldet sich nicht auf Vorrat, sondern – salopp gesagt – erst wenn er zahlt. Sollen die Zinsausgaben nicht überborden, braucht der Staat aber mehr Steuereinnahmen und somit mehr Wachstum. Um so wichtiger ist es, die Sondervermögen investiv zu nutzen.

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