Spuk in Amerikas Kinos
Notiert in New York
Spuk in Amerikas Kinos
Von Alex Wehnert
Das Publikum in Saal 16 im Kino „The Regal“ am New Yorker Union Square kreischt entsetzt auf, als das Messer durch die Tür sticht. Der talentierte Gitarrist Sammie Moore zieht seinen Kopf gerade noch rechtzeitig vor der Klinge zurück, doch der Wahnsinn auf der Leinwand hat damit erst angefangen. Im Kinohit „Sinners“ aus der Feder von Autor und Regisseur Ryan Coogler müssen Sammie, gespielt von Miles Caton, und seine Cousins, das von Michael B. Jordan verkörperte Zwillingspaar Elijah „Smoke“ und Elias „Stack“ Moore, sich blutrünstige Vampire vom Leib halten, die – angelockt von teuflisch gutem Blues – die neue Musik-Bar der Brüder angreifen.
Genre-Film als Kassenschlager
Der im rassistischen Mississippi der frühen 1930er Jahre angesiedelte Horrorstreifen ist für Hollywood einer der größten Genre-Kassenerfolge seit Jahren. Für einen Film mit R-Rating galten das Budget von 90 Mill. Dollar und die großen Privilegien für Regisseur Coogler – darunter eine Direktbeteiligung an den Einnahmen – als enorme Risiken. Doch keine drei Wochen nach dem Kinostart hat das Vampir-Gemetzel global bereits über 225 Mill. Dollar eingespielt und befindet sich laut Analysten auf dem besten Weg, über die gesamte Laufzeit die Marke von 400 Mill. Dollar zu knacken.

In den USA profitiert der atmosphärisch dichte, mit eindrücklichen Musikeinlagen punktende, aber handlungsseitig doch stark nach Schema F ablaufende Horrorfilm von einer lebhaften Mundpropaganda. Insbesondere bei schwarzen Zuschauern kommt der gesellschaftskritische Subtext, der internationalen Zuschauern über weite Strecken wohl eher verborgen bleibt, gut an – zumal sich Coogler mit Filmen wie „Fruitvale Station“ einen Namen als tiefgründiger Analyst ethnischer Konflikte erarbeitet hat.
Kino-Experten verweisen zur Begründung des Erfolgs auch darauf, dass Hollywood seit Jahren zwischen zwei Extremen schwankt: Entweder traktierten die Studios ihr Publikum mit melancholischen Sozialdramen, um sich Chancen auf einen Oscar zu sichern, oder sie produzierten Superhelden- bzw. Monster-Blockbuster, die nach intellektuellem Gehalt hinter dem Gelalle eines angetrunkenen Preisboxers zurückstehen. Filme, die wie „Sinners“ zumindest in Ansätzen beides – Anspruch und Spaß – miteinander vereinten, stießen damit auf umso größeren Anklang.
Trumps Handelskrieg schockt Filmbranche
Für die Studiobetreiber ist das hohe Interesse an dem Horrorstreifen ein positives Signal, für Kinos wie das „Regal“ am Union Square ist es ein Segen. Doch wenn schon vom Gelalle eines angetrunkenen Preisboxers die Rede ist: US-Präsident Donald Trump hat im Zuge seines wirtschaftsfeindlichen Handelskriegs Zölle von 100% auf im Ausland produzierte Filme autorisiert. Die Aktien von Streaming-Anbietern wie Disney und Netflix sowie von Kinoketten wie AMC Entertainment gerieten in der Folge unter Druck.
Denn der Großteil der Hollywood-Streifen wird im Ausland gefilmt, wo die Personalkosten geringer sind und Studios hohe Steuervorteile einfahren. Gewerkschaften hatten Trump aufgerufen, Steueranreize für inländische Produktionen zu schaffen. Nun folgen wohl vielmehr Maßnahmen, die laut Analysten für steigende Kosten entlang der Vertriebskette sorgen dürften – sofern Behörden und Entertainment-Branche denn herausfinden können, wie sich Zölle auf intellektuelles Eigentum abführen lassen, dessen monetärer Gegenwert sich erst weit nach dem „Import“ herausstellt. „Sinners“ wäre Trumps Spuk indes wohl entkommen – Coogler filmte seine Vampir-Geschichte in Louisiana.