Viertel nach zwölf im Handelsstreit
Handelsstreit
Viertel
nach zwölf
Von Detlef Fechtner
Man kann darüber streiten, inwieweit es US-Präsident Donald Trump mit der Sprunghaftigkeit seiner Ansagen und Executive Orders gelingt, Druck auf die Handelspartner der USA auszuüben. Zumindest scheint er es geschafft zu haben, mit seinem handelspolitischen Cha-Cha-Cha das Publikum einzulullen. So klingt Trumps jüngste Ankündigung, die Fristen für eine Verständigung bis 1. August zu verlängern, auf den ersten Eindruck fast wie eine großzügige Geste, wird dadurch doch der Startschuss für mögliche dramatisch hohe Zölle aufgeschoben. Eine solche Wahrnehmung verkennt aber: Schon jetzt gelten Aufschläge, insbesondere für Auto und Stahl, die immensen Schaden anrichten. Die nicht bloß Geld kosten, sondern auch Arbeitsplätze. Und die nicht nur Exporte bremsen, sondern auch Investitionen und damit Wettbewerbsfähigkeit.
Lagerbestände abgebaut
Niemand sollte sich wundern, warum Außenhandel, Industrie und sogar Finanzwirtschaft so drängeln und warum es die EU-Kommission, das EU-Parlament und Bundeskanzler Friedrich Merz so eilig haben, zumindest – „quick and dirty“ – eine Rahmenvereinbarung abzuschließen. Denn da Lagerbestände abgebaut sind, werden Europas Exporteure bereits heute mit Härte von den bereits geltenden Aufschlägen getroffen. Es ist insofern nicht fünf vor zwölf, sondern fünf nach zwölf. Wenn nicht gar Viertel nach zwölf.
Dass Trump gegenüber einigen asiatischen Ländern eine noch härtere Gangart fährt (was im Übrigen mit seinem hegemonialen Wettlauf mit China in Verbindung steht), sollte nicht zur Annahme verleiten, dass die EU geschont wird. Die derzeit geltenden Zölle sind eine harte Belastung der europäischen Wirtschaft. Die „Rahmenvereinbarung“, über die gerade alle reden, muss daher unbedingt erhebliche Entlastungen gegenüber dem Status quo vorsehen. Erst dann kann sich die EU darauf einlassen, über die nächsten Monate ein umfassendes Abkommen zu beraten.
Gegenmaßnahmen nicht weiter aufschieben
Falls es nicht bald zu einem solchen Deal kommen sollte, gibt es kein Argument mehr, Gegenmaßnahmen länger aufzuschieben. In der Tat würde die EU sich unglaubwürdig machen, wenn sie Mitte Juli nicht die erste Stufe an Gegenzöllen zünden würde. Zumal jene, die direkt an Gesprächen beteiligt sind, beklagen, dass die US-Seite über alles und jedes auf einmal sprechen möchte, und durch ständig neue Forderungen und Drohungen verhindert, dass eine Vertrauensbasis entsteht. Vielleicht muss die EU tatsächlich Gegenmaßnahmen starten, um endlich mit den USA an den Punkt vernünftiger Verhandlungen zu gelangen.
Es braucht Gegenmaßnahmen der EU, um die USA endlich zu vernünftigen Verhandlungen zu zwingen.