Jan Mrosik

Der missratene Start des Knorr-Bremse-Chefs

Die Übernahmepläne für Hella sind gestoppt, doch das Vertrauen der Investoren in das Münchner Unternehmen ist schwer beschädigt. CEO Jan Mrosik muss nun mit der Reparatur beginnen.

Der missratene Start des Knorr-Bremse-Chefs

Von Joachim Herr, München

Der Einstand von Jan Mrosik ist gewaltig danebengegangen. Das Gedankenspiel des Vorstandsvorsitzenden von Knorr-Bremse, den Autozulieferer Hella zu übernehmen, kostete in nur sieben Tagen mehr als 3,6 Mrd. Euro Marktkapitalisierung – und viel Vertrauen im Kapitalmarkt. Das Wortspiel sei erlaubt: Am Mittwochabend nach Börsenschluss zog das Management die Notbremse und gab die teure Idee auf, das westfälische Unternehmen zu akquirieren (vgl. BZ vom 8. Juli).

Der frühere Siemens-Manager Mrosik (56) ist seit Anfang dieses Jahres Vorstandschef des Münchner Weltmarktführers für Bremsen von Schienen- und Nutzfahrzeugen. Er sollte Ruhe ins Management bringen, nachdem sein Vorgänger Bernd Eulitz nur zehn Monate an der Konzernspitze gestanden hatte. Jetzt dürfte jedoch die Unruhe erst einmal wieder groß sein. Nach dem Kurssturz von 20% ist das Vertrauen der Investoren zumindest angeknackst, manche dürften Mrosik und der Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Mangold für immer verprellt haben.

Analysten und auch einige Journalisten hatten sich von Anfang an über den Plan gewundert, die Mehrheit von Hella zu erwerben. Das Unternehmen erzielt mehr als 80% seines Umsatzes im Pkw-Geschäft – eine ganz andere Welt als die Kernsegmente von Knorr-Bremse (vgl. BZ vom 29. Juni und 8. Juli). Am Mittwoch, dem Tag des Rückzugs von dem Vorhaben, hatte Morgan Stanley das Kursziel von 125 auf 105 Euro gestutzt und die Empfehlung von „Overweight“ auf „Equal-weight“ gesenkt. Der Aktienkurs war weiter gesunken.

Fein abgewogene Worte

Dem kontinuierlichen Fall von 113 auf 90 Euro binnen einer guten Woche durfte und konnte das Management nicht mehr länger zusehen. Die Entscheidung, den Plan für Hella zu stoppen, verpackte Knorr-Bremse in fein abgewogene Worte: „Nach sorgfältiger Analyse bewertet der Vorstand die Möglichkeiten des Transfers von Schlüsseltechnologien und Produkten auf das eigene Produktportfolio als nicht ausreichend zur Realisierung der erwarteten Synergien.“

Schon ein Blick auf die Internetseite von Hella genügt, um zu erkennen, dass das Unternehmen kaum Chancen für Knorr-Bremse bietet – abgesehen von einigen Radarsensoren fürs autonome Fahren. Die Analysten von J.P. Morgan hatten zudem moniert, die Qualität des Portfolios sei geringer als die des Münchner Unternehmens. Hinzu kommt: Knorr-Bremse hätte sich mit Hella die starke Konjunkturabhängigkeit des Pkw-Geschäfts und geringere Margen in den Konzern geholt.

Die Frage drängt sich auf, was Mrosik antrieb, dieses Projekt zu verfolgen. Der Druck auf den Vorstandschef, bald zu liefern, ist vermutlich groß. Das Schicksal seines Vorgängers will er keinesfalls teilen: Dem früheren Linde-Manager Eulitz hatte Aufsichtsratschef Mangold ein klares Führungsverständnis und Impulse für eine Wachstumsstrategie abgesprochen. Die Kritik am zögerlichen Eulitz kam einer öffentlichen Vorführung gleich.

Für den im Februar gestorbenen Heinz Hermann Thiele waren als Vorstands- und später Aufsichtsratschef sowie als Mehrheitsgesellschafter Akquisitionen stets ein fester Teil der Konzernstrategie. Das verlangte er auch von seinen Vorstandsvorsitzendenden, von Eulitz’ Passivität war er enttäuscht. Mangold (78) verfolgt als Thieles Sachwalter den Weg der Zukäufe weiter. Thiele war damit lange erfolgreich, seine Beteiligung an der Lufthansa im vergangenen Jahr stellte sich jedoch als Fehlinvestition heraus.

Die Reparatur beginnt

Knorr-Bremse überzeugt mit einem soliden Geschäft, was sich auch in der Coronakrise gezeigt hat. Doch wenn sich der Eindruck verfestigt, Mrosik und Mangold wollten als Getriebene von Thieles Erbe alles akquirieren, was nur irgendwie zum Unternehmen passen könnte, wäre noch mehr Vertrauen der Aktionäre verspielt. Schnell bekämen sie den Ruf eines unberechenbaren Managements. Nun bemüht sich Mrosik um eine Reparatur: Das Unternehmen beteuert, Wachstum aus eigener Kraft stehe im Vordergrund.

Am Donnerstag erholte sich der Aktienkurs von Knorr-Bremse mit einem Anstieg um 7,3%. Doch bis zum Ausgangsniveau vor dem Hella-Schreck sind es noch fast 17%. Noch so ein Desaster, und auch Mrosik könnte bald ein ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Knorr-Bremse sein.