Ed Miliband wird immer mächtiger
Ed Miliband wird immer mächtiger
Von Andreas Hippin, London
Der britische Energieminister Ed Miliband (55) wirkt zwar nicht weniger hölzern als Premierminister Keir Starmer. Unvergessen sind die Bilder seines Kampfs mit einem Bacon-Sandwich aus dem Jahr 2014. Wer sich nicht vorstellen kann, was Fremdschämen ist, sollte sich einen zwei Jahre alten Videoclip ansehen. Miliband stimmt darin vor einem Windpark „Blowing in the Wind“ an.
Doch im Gegensatz zum Chef der Regierungspartei erfreut er sich bei den Labour-Mitgliedern großer Beliebtheit. Nachdem die ebenfalls höchst populäre Angela Rayner über eine Steueraffäre stolperte, sehen ihn manche schon als Nachfolger Starmers in 10 Downing Street.
Liebling der Parteilinken
Die durch Rayners unvermeidlich gewordenen Rücktritt ausgelöste Regierungskrise überstand er ohne jeden Kratzer. Angeblich wollte ihn Starmer ins frei gewordene Wohnungsbauministerium abdrängen. Miliband weigerte sich Medienberichten zufolge mit Erfolg gegen die drohende Degradierung. Konservative mögen noch so sehr seine Entlassung fordern: Miliband sitzt so fest im Sattel wie Schatzkanzlerin Rachel Reeves, deren Verbleib im Amt den Finanzmärkten Stabilität suggerieren soll.
Vor allem beim linken Flügel der Partei steht der Protégé des ehemalige Labour-Premierministers Gordon Brown hoch im Kurs. Sein Beharren darauf, die Stromversorgung bis 2030 – koste es, was es wolle – zu dekarbonisieren, kommt auch bei Klimaschützern gut an. Dabei ist Miliband durchaus flexibel mit Blick darauf, wie Net Zero erreicht werden soll. Sein Bekenntnis zu einer Renaissance der Atomkraft in Großbritannien kommt in weiten Teilen der der grünen Bewegung nicht gut an.
Wendiger Berufspolitiker
Doch Miliband ist ein Berufspolitiker, der weiß, dass großen Ankündigungen keine Taten folgen müssen. Atomkraft unterliegt in Großbritannien einer so strengen Regulierung, dass ihre friedliche Nutzung nahezu verboten ist. So schnell werden die von Centrica und X Energy vor dem Staatsbesuch von Donald Trump angekündigten Mini-Meiler also nicht in Betrieb gehen.
Der von Reeves vollmundig angekündigte landesweite Ausbau der Flughäfen dürfte am Widerstand von Bürgerinitiativen, Lokalpolitikern und Aufsehern scheitern. Miliband muss deshalb gar nicht lautstark darauf hinweisen, dass es bislang keinen Weg gibt, den rasant zunehmenden Luftverkehr in Übereinstimmung mit dem gesetzlich verankerten Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu bringen. So tritt er nicht als Spielverderber in Erscheinung, wenn die Regierung Wachstum simulieren will. Soll doch Londons Bürgermeister Sadiq Khan diese Rolle übernehmen.
Ähnlichkeiten mit Cameron
Miliband hat eine Menge mit David Cameron gemein, gegen den er 2015 bei den Unterhauswahlen unterlag. Beide konnten auf das Netzwerk ihrer Familien zurückgreifen. Beide wurden anfangs nicht gewählt, sondern hielten als Berater Einzug in die Politik. Und beide waren Schützlinge mächtiger Figuren in ihrer jeweiligen Partei.
Sein Vater Ralph war ein linker Soziologe, der unter anderem an der London School of Economics unterrichtete. Aufgewachsen ist Miliband im lauschigen Londoner Stadtteil Primrose Hill. Lehraufträge seines Vaters brachten Aufenthalte in Leeds und Boston, Massachusetts, mit sich. Seitdem ist Miliband Fan des Fußballclubs Leeds United und des Baseballteams Boston Red Sox. Als Teenager arbeitete der Gesamtschüler als Praktikant für den Labour-Abgeordneten Tony Benn, einen prominenten Vertreter des linken Flügels. Er studierte nach herausragenden schulischen Leistungen in Oxford und an der London School of Economics.
Einstieg als Berater
Der Vater zweier Söhne sitzt seit 2005 für Doncaster North im Unterhaus, bislang ein sicheres Mandat für die Regierungspartei. Mehr als ein Jahrzehnt zuvor rekrutierte ihn die Labour-Politikerin Harriet Harman als Redenschreiber. Wenig später nahm ihn Gordon Brown unter seine Fittiche. Nach dem Wahlsieg von Tony Blair 1997 wurde er Berater des frisch gebackenen Schatzkanzlers Brown.
Ab 2008 fungierte er als Energieminister. Nach der Abwahl von Labour 2010 wurde Miliband Parteichef und damit Oppositionsführer. Zu seinen größten Fehlleistungen gehörte der „Ed Stone“, eine zwei Tonnen schwere Kalksteintafel mit seinen zentralen Wahlkampfversprechen für 2015. Zugkräftig genug waren sie nicht. Die Tories unter Cameron konnten nach der Wahl allein regieren. Zuvor waren sie noch auf eine Koalition mit den Liberaldemokraten angewiesen. Seit Juli 2024 ist er wieder Energieminister.