Sommerpressekonferenz des Kanzlers

Eine bessere Grundstimmung muss her

Gut 70 Tage nach Amtsantritt hat die Schwarz-Rote Koalition laut Umfragen kein gutes Standing in der Bevölkerung. Kanzler Friedrich Merz hält in seiner Sommerpressekonferenz dagegen.

Eine bessere Grundstimmung muss her

In seiner Regierungserklärung kurz nach Amtsantritt hatte Friedrich Merz noch als sein Ziel seiner Kanzlerschaft ausgegeben: Schon im Sommer sollten die Bürger des Landes spüren, dass sich das Land zum Besseren verändere. Heute, gut 70 Tage später, ist die positive Wechselstimmung aber ein Stück weit schon wieder verflogen. Der Streit um die nicht eingehaltene Stromsteuersenkung und die verpatzte Wahl der neuen Verfassungsrichter versprühten erste Ampel-Vibes. Der Bundeskanzler will davon in seiner ersten Sommerpressekonferenz in Berlin nichts wissen. „Wir haben die Wende eingeleitet“, betont er am Freitag vor der Bundespressekonferenz. Es gebe kaum eine Regierung, die in den ersten zehn Wochen mehr geschafft habe.

Längst nicht alle sehe das so: Einer aktuellen YouGov-Umfrage für dpa zufolge sagt rund ein Drittel der Wahlberechtigten, Deutschland habe sich unter Schwarz-Rot eher zum Schlechteren verändert. Nur 22% sehen eine Verbesserung. Bei den Unionsanhängern sind es auch nur etwas mehr als die Hälfte. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge spricht gar von einer „verheerenden Bilanz“ von Merz` ersten gut 70 Tagen und mit Blick unter anderem auf die Neubesetzung des Verfassungsgerichts von einem Führungsversagen an der Spitze der CDU.

Das Glas ist dreiviertel voll, sagt Merz

In der Sommer-Pressekonferenz spricht der Kanzler lieber von einer „ganz normalen Arbeitsbeziehung“ mit der SPD – mit Höhen und mit Tiefen. Die Koalition stehe auf einem soliden Fundament. Außerdem möge man sich doch bitte auch einmal den Beginn der 16-jährigen Kanzlerschaft von Helmut Kohl anschauen: Auch damals habe es in einem erheblich überschaubareren Parteiensystem „erhebliche Turbulenzen“ gegeben.

Merz findet ohnehin, dass es in Deutschland eine bessere Grundstimmung geben müsse. Ausländische Investoren hätten diese bereits, stellte der Sauerländer klar. Er sei erstaunt und persönlich sehr erfreut, wie positiv Deutschland von außen als Investitionsstandort gesehen werde. „Für uns ist häufig das Glas halbleer, statt mal zu sagen, es ist halbvoll“, so der CDU-Chef. „Ich würde sogar sagen: Es ist dreiviertel voll.“

Großes Interesse: Bis auf den letzten Platz gefüllt, war der Saal der Bundespressekonferenz bei der ersten Sommerpressekonferenz von Bundeskanzler Friedrich Merz.
picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Markus Schreiber

Die gescheiterte Richterwahl und die umstrittene Personalie Frauke Brosius-Gersdorf lässt Merz aber auch in seinem Auftritt vor der Bundespressekonferenz nicht los. Fast ein Drittel der Zeit geht dafür drauf. Der Kanzler verspricht, künftig frühzeitiger heikle Themen in seiner Fraktion zu besprechen, bedauert die aufgeheizte Atmosphäre in der Debatte und hält sich ansonsten bedeckt.

Dan folgt eine Stunde wilder Ritt durch die Themen: Grenzkontrollen, Migration, Nahost, EU-Finanzen. Im Herbst werde die Koalition mit Sozialreformen beginnen, verspricht er. Es gehe insbesondere um die Neuaufstellung des Bürgergeldes, dessen Volumen signifikant sinken müsse. Auch werde es schon erste Vorbereitungen für eine Reform von Renten-, Pflege- und Krankenversicherung geben, so Merz. In dieser Legislatur wolle die Koalition zumindest eine Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge erreichen, verspricht der Bundeskanzler.

Mindeststeuer „im Grundsatz richtig“

Bei der globalen Mindeststeuer gibt sich der 69-Jährige deutlich zurückhaltender als noch vor wenigen Tagen bei einem Besuch in Bayern, als er die Aussetzung in Europa gefordert hatte. Wohl wissend, dass der Koalitionspartner hier eine andere Auffassung hat, lobt Merz die Mindeststeuer nun als „im Grundsatz richtig“, verweist aber auf die Zweifel bei der Umsetzung, wenn die USA nicht dabei seien. Bei den laufenden Zoll-Verhandlungen mit den Amerikanern sei zugleich eine völlige Abschaffung von Zöllen auf beiden Seiten kein realistisches Szenario.

Auch zur Commerzbank äußert sich der CDU-Vorsitzende noch einmal: Merz verurteilt das „unfreundliche“ Vorgehen der italienischen Unicredit bei der anvisierten Übernahme und hat noch ein anderes Argument: „Das Institut, das dann entstehen würde, könnte möglicherweise aufgrund seiner Bilanzstrukturen auch ein erhebliches Risiko für den Finanzmarkt darstellen.“ Bevor diese Frage nicht ausreichend geklärt sei, werde er von seiner Meinung nicht Abstand nehmen.

Zufrieden in den Urlaub

In zwei Wochen will Friedrich Merz einen kurzen Urlaub einlegen. „Ganz zufrieden“ mit dem bisher erreichten werde er in die Sommerferien fahren, stellte er klar. Vorher kommt noch der Haushalt für 2026 ins Kabinett. Genehmigungsbeschleunigungen bei Windrädern und Wasserstoffinvestitionen sowie Vereinfachungen im Baurecht stehen im Sommer auch noch auf der Agenda der Regierung. Und dann, so die Hoffnung, werden vielleicht auch die Umfragen wieder besser.

Eine bessere Grundstimmung muss her

Von Andreas Heitker, Berlin
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