Überraschende Entscheidung

HSBC macht Übergangslösung zum Chairman

HSBC macht Brendan Nelson zum Chairman. Die überraschende Entscheidung für den KPMG-Veteranen, der vorübergehend eingesprungen war, wirft Fragen auf.

HSBC macht Übergangslösung zum Chairman

HSBC hält an Übergangslösung fest

Von Andreas Hippin, London

Schon als der ehemalige Tory-Schatzkanzler George Osborne noch als Kandidat für den Chairman-Posten bei HSBC gehandelt wurde, stellt die „Times“ die Frage, ob sich kein besseres Führungspersonal finden lässt. Nun hat die britische Großbank Brendan Nelson zum Verwaltungsratschef gekürt. Der 76-jährige ehemalige KPMG-Partner übt das Amt bereits seit Oktober übergangsweise aus.

Die Personalie war keine Pflichtveröffentlichung, auf die man von der Pressestelle extra hingewiesen wird. Denn sie wirft die Frage auf, ob beizeiten nach einem Nachfolger für Nelsons Vorgänger Mark Tucker gesucht wurde. Der ging zugegebenermaßen früher als erwartet, um im Oktober dieses Jahres Non-Executive Chairman von AIA zu werden. Für Tucker war es eine Rückkehr zu einem alten Arbeitgeber: Er hatte den größten Versicherer in der Asien-Pazifik-Region von 2010 bis 2017 geführt.

Viele Fragezeichen

Doch im Herbst 2026 wäre er ohnehin neun Jahre HSBC-Chairman gewesen. Nach den Maßstäben der britischen Corporate Governance hätte er dann abtreten müssen. Es wäre also sinnvoll gewesen, sich schon einmal nach geeigneten Kandidaten für den Posten umzusehen. Stattdessen musste Nelson einspringen, als Tucker ging. Seitdem habe er seine „exzellenten Führungsqualitäten“ unter Beweis gestellt, sagte Ann Godbehere, die im Board für die Suche nach einem neuen Chairman zuständig war. Als besonders profiliert kann man ihn allerdings nicht bezeichnen.

Auch Kevin Sneader, der aus Hongkong das Geschäft von Goldman Sachs in der Asien-Pazifik-Region führt, galt als möglicher Kandidat. Er hatte zuvor mehr als drei Jahrzehnte bei McKinsey verbracht. Dort konnte er sich allerdings nach seiner ersten Amtszeit als Global Managing Partner nicht als Chef halten. Der Barclays-Veteran Naguib Kheraj und der ehemalige HSBC-Chef Stuart Gulliver wurden ebenfalls für den Job gehandelt. Die Frage ist, warum es am Ende bei Nelson blieb.

Lange Karriere bei KPMG

Tucker war der erste Chairman, der von außerhalb der Bank kam. Er war kein Chairman, der im Hintergrund blieb. Tucker machte John Flint zum Nachfolger von Gulliver als CEO. Als Flint nicht die gewünschten Resultate lieferte, verabschiedete er ihn nach nur 18 Monaten. Noel Quinn ließ er erst einmal als Übergangschef Probe laufen, bevor er ihm 2020 das Amt auf Dauer übertrug. Im Juli vergangenen Jahres übergab er Georges Elhedery den Chefsessel.

Nelson sitzt seit September 2023 im Board der britischen Großbank. Zuvor verbrachte er mehr als 25 Jahre seiner Karriere bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG. In dieser Zeit hatte er diverse Führungspositionen inne, unter anderem als Chef der Global Financial Services Practice. Er saß auch schon bei BP und Natwest im Board.

Herausforderung Protektionismus

Zu den Herausforderungen, denen er sich nun stellen muss, gehört der zunehmende Protektionismus. Schließlich gehört die Finanzierung des Welthandels für die Bank zum Kerngeschäft. Nelson wird sich in schwierigen politischen Gemengelagen wiederfinden.

Als Großbritannien unter der Ungewissheit rund um den Brexit zu leiden hatte, profitierte HSBC von ihrem zweiten Standbein am Perlflussdelta. Das Institut erging sich in Wachstumsvisionen. Am Markt wurden sie dankbar aufgenommen. Der Fokus verlagerte sich immer weiter nach Fernost, wo der Großteil des Gewinns herkommt.

Gesetz der Schwerkraft

Nun wird die chinesische Wirtschaft heruntergeschrieben und schlechtgeredet. Noch zeigen sich die Risiken zwar erst in der höheren Risikovorsorge für das Gewerbeimmobilien-Exposure in Hongkong. Doch das Gesetz der Schwerkraft funktioniert auch dort.

Zudem ist kaum anzunehmen, dass der chinesische Großaktionär Ping An seinen Anteil künftig als stille Beteiligung betrachten wird. Der Versicherer aus der Volksrepublik konnte sich zwar mit seiner Forderung nach einem Spin-off des Asiengeschäfts bei den Aktionären nicht durchsetzen, dürfte aber weiter auf eine höhere Rendite pochen.

Konzernumbau auf Hochtouren

Unterdessen läuft der Konzernumbau auf Hochtouren. Seit Jahresbeginn verabschiedete sich HSBC von elf Geschäften. In Deutschland trennte sie sich vom Private Banking, dem Verwahrstellengeschäft und der Kapitalanlagegesellschaft Inka. Im dritten Quartal schlug sich die Bank besser als erwartet. Dazu trug Wachstum im Geschäft mit vermögenden Privatkunden bei. Allerdings dominierte eine Rückstellung für ein juristisches Nachspiel der Implosion des Schneeballsystems von Bernard Madoff die Schlagzeilen.