Italien

Monti geht mit Draghi hart ins Gericht

Italiens Ex-Premierminister Mario Monti übt heftige Kritik an Regierungschef Mario Draghi.

Monti geht mit Draghi hart ins Gericht

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Mario Monti lobt vor der Auslandspresse in Rom Mario Draghi zwar dafür, die Corona-Pandemie in den Griff bekommen und dafür gesorgt zu haben, dass Italien die Mittel des Aufbauprogramms erhält. Ansonsten fällt das Urteil des 79-jährigen Monti negativ aus. Es gebe keine Strukturreformen. Die Steuerreform und die Reform des Katasterrechts seien liegen geblieben, wegen der Reform des Wettbewerbsrechts droht ein Auseinanderbrechen der Regierung. Auch die Rentenreform der Regierung Monti, die Draghis Vorgänger Giuseppe Conte zurückgedreht hatte, traut sich Draghi nicht wieder einzusetzen. „Im Verhältnis zu dem vielen Geld, das Italien erhalte hat, sind das keine adäquaten Resultate“, doziert Monti. „Italien verspielt die letzte Chance, endlich zu einer modernen sozialen Marktwirtschaft zu werden“, sagte Monti und benutzt die deutsche Bezeichnung.

Draghi habe Angst vor unpopulären Entscheidungen. Statt Steuern zu erhöhen, um die wachsende soziale Kluft zu schließen, verteile er Boni mit der Gießkanne. Die Zeit der Negativzinsen sei nicht genutzt worden und die Regierung habe sich verhalten, als ob diese Zeit ewig andauere. Die große Gefahr sei jetzt, dass die Zinsen über die Wachstumsrate stiegen, aber die Europäische Zentralbank (EZB) habe viel zu lange gezögert. „Was Frankreichs Staatspräsident Macron in fünf Jahren nicht geschafft hat, eine Rentenreform, hat meine Regierung in zwei Wochen durchgezogen.“ Monti, der sich zuvor schon in der Zeitung „La Stampa“ sehr kritisch geäußert hatte, plädierte dennoch dafür, dass Draghi bis zu den Parlamentswahlen im Frühjahr 2023 im Amt bleibt. Andernfalls käme eine Regierung der Rechtspopulisten, und das wäre nach seiner Ansicht viel schlimmer.

Monti ist Wirtschaftswissenschaftler und Professor. Er war neun Jahre lang EU-Kommissar, kurz Parteichef und ist Senator. Von 2011 bis 2013 war er Premierminister in einer von einer breiten Mehrheit getragenen technischen Regierung Italiens.

Ähnlich wie Draghi im Februar 2021 wurde einst auch Monti gerufen, weil die politischen Parteien keine Lösung mehr fanden für die vielen Probleme. Aber anders als Draghi, der die Mittel des Europäischen Aufbauprogramms, knapp 200 Mrd. Euro, zur Verfügung hat, musste Monti seinerzeit sparen. Mit einem drastischen Sparprogramm, mutigen Reformen des Ar­beitsmarktes und der Renten, rettete er Italien vor der Insolvenz.

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