Salzgitters Steuermann in kritischer Zeit
Salzgitters Steuermann in kritischer Zeit
Von Carsten Steevens, Hamburg
In seiner fast vierjährigen Amtszeit als Vorstandschef der Salzgitter AG hat Gunnar Groebler seit Mitte 2021 die Zyklizität in der Stahlbranche deutlich zu spüren bekommen: Dem Rekordjahr 2022 folgte beim zweitgrößten deutschen Stahlproduzenten im Zuge stark rückläufiger Stahlpreise ein Gewinneinbruch im Folgejahr und ein Konzernverlust von -348 (i.V. +204) Mill. Euro im vergangenen Turnus. Der Aktienkurs des SDax-Unternehmens verdoppelte sich bis März 2022 auf rund 49 Euro, ehe er im Herbst 2024 – im zweiten Rezessionsjahr in Deutschland in Folge – unter die Marke von 13 Euro fiel. Immerhin: An der Börse sieht es wieder etwas freundlicher aus, wenn Groebler den Aktionären in der Hauptversammlung an diesem Donnerstag mit einem Dividendenvorschlag von 0,20 (0,45) Euro je Aktie begegnet.
Angespannte Lage
Mitte März erreichte die Salzgitter-Aktie mit gut 28 Euro den höchsten Stand seit Ende 2023. Seitdem hat sich der Kurs aber abgeschwächt. Mit über 23 Euro liegt er nach wie vor über dem Preis von 17,50 Euro je Aktie, den ein Konsortium um Großaktionär Günter Papenburg für eine Übernahme des Konzerns zahlen wollte. Doch haben die vor gut einer Woche veröffentlichten Zahlen des ersten Quartals mit einem Vorsteuerverlust von 27 Mill. Euro sowie auf Null gesenkte Wachstumserwartungen des Internationalen Währungsfonds und der Bundesregierung für Deutschland in diesem Jahr die aktuell angespannte Lage erneut verdeutlicht.
Nach Ablehnung des Übernahmeangebots müsse das Management nun beweisen, dass es für Investoren mehr Wert generieren könne, so Analysten von Deutsche Bank Research vor kurzem. Seit dem am 11. April bekannt gewordenen Ende der Übernahmegespräche steht fest, dass der Stahlhersteller mit dem Land Niedersachsen als Ankeraktionär eigenständig bleibt. Der in den vergangenen 15 Monaten mit Birgit Potrafki (Finanzen) und Birgit Dietze (Personal) erneuerte Vorstand um Gunnar Groebler kann sich wieder voll auf das Geschäft, die Umsetzung unlängst ergänzter Maßnahmen zur Ergebnisverbesserung sowie auf das mehrjährige Milliardenprojekt zur Dekarbonisierung der Stahlproduktion fokussieren.
Weichenstellungen
Als der Aufsichtsrat Groeblers Vertrag Ende 2023 bis 2029 verlängerte, wurde das mit zentralen Weichenstellungen begründet. Der 53 Jahre alte Maschinenbau-Ingenieur, der zuvor in fast zwei Jahrzehnten beim schwedischen Energieunternehmen Vattenfall bis in den Konzervorstand aufstieg, habe die Etablierung der „Salzgitter AG 2030“ genannten Konzernstrategie mit ihrem Schwerpunkt auf Kreislaufwirtschaft vorangetrieben und die unter dem Programmnamen „Salcos“ bis in die 2030er Jahre angelegte Transformation hin zu einer nahezu CO₂-neutralen Stahlherstellung beschleunigt.
Seit September vorigen Jahres setzt sich der gebürtige Dortmunder in besonderer Funktion auch für die Interessen der Stahlbranche ein: Groebler ist seitdem ehrenamtlicher Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Seine Aufgabe sei es nun, alles zu tun, um die akute Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Stahlindustrie zu erhalten und ihre Zukunftsfähigkeit voranzubringen. Dabei sieht es die energieintensive Branche, die die Rückendeckung auch der neuen Bundesregierung sicher hat, am dringlichsten an, in Deutschland zu international wettbewerbsfähigen Energiekosten zu kommen.