Niedersachsens neuer Ministerpräsident

Volles Programm für Olaf Lies

Als neuer Ministerpräsident von Niedersachsen hat Olaf Lies ein gut gefülltes Aufgabenheft. Einarbeiten in die wichtigen Themen des Landes muss er sich zumindest nicht.

Volles Programm für Olaf Lies

Volles Programm für Olaf Lies

Von Carsten Steevens, Hamburg

Gerade drei Wochen im Amt, macht Olaf Lies als Niedersachsens Ministerpräsident an diesem Mittwochabend seine erste Aufwartung im Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten. Die Vorstellung in einem Hamburger Hotel beginnt eine Dreiviertelstunde später als geplant, der Terminkalender des 58-Jahre alten SPD-Politikers ist voll. Zeit zur Einarbeitung im neuen Amt benötigt Lies nicht, das wird in der gut besuchten Runde spürbar. Die Themen, die das zweitgrößte deutsche Flächenland beschäftigen, sind dem gebürtigen Wilhelmshavener vertraut.

Den drei Landesregierungen, die Stephan Weil seit 2013 bis zum 20. Mai anführte, gehörte der ausgebildete Funkelektroniker und Diplom-Ingenieur ununterbrochen an – zunächst als Wirtschafts-, dann als Umwelt- und Energie- und schließlich erneut als Wirtschaftsminister. Als Ministerpräsident hat Lies Aufgaben und Mandate von seinem Vorgänger geerbt, so etwa die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat von Volkswagen oder den stellvertretenden Vorsitz in der Ministerpräsidentenkonferenz, die gemeinsame Positionen der 16 Bundesländer gegenüber der Bundesebene vertritt.

Kompensation für Steuerausfälle?

Wirtschaftspolitisch steht gerade der „Investitionsbooster“ oben auf der Agenda – jenes Maßnahmenpaket einschließlich eines 500 Mrd. Euro großen Sondervermögens für Investitionen in Infrastruktur, mit dem die neue Bundesregierung die Wirtschaft in Deutschland ankurbeln und für mehr Wettbewerbsfähigkeit sorgen will. Lies unterstreicht, wie wichtig nach zwei Rezessionsjahren in Folge ein starkes Zeichen der Politik wäre, dass Investitionen in Deutschland sich jetzt lohnen. Die dazu von der Bundesregierung geplanten Steuersenkungen für Unternehmen finden die Länder richtig. Doch für mögliche Steuerausfälle wollen sie eine Kompensation, die die finanzielle Lage der Länder und Kommunen berücksichtigt.

Vor allem die klammen Kommunen dürften ihre Handlungsfähigkeit nicht verlieren, warnt Lies. Er setzt darauf, dass Bund und Länder bis zur Abstimmung über die Steuerpläne im Bundesrat am 11. Juli noch vor der parlamentarischen Sommerpause zu einer gemeinsamen Lösung kommen.

Die erreichte Verständigung über die erforderliche Verfassungsänderung für die zusätzliche Verschuldung sei auch daran gekoppelt, dass es Investitionsmöglichkeiten auch für die Länder und Kommunen gibt.

„Jetzt Impuls setzen“

Lies spricht vom Start einer gemeinsamen Politik von Bund, Ländern und Kommunen und verweist auf ein Gespräch der Länderchefs mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kurz vor dessen Reise zu US-Präsident Donald Trump vor einer Woche, das er „als sehr wohltuend und angenehm empfunden“ habe. „Wir müssen jetzt einen Impuls setzen“, sagt Niedersachsens Regierungschef. Es gebe „ein Momentum, das wir nutzen müssen.“ Das gelte auch für die Energiekosten. Die Energiewende müsse so gestaltet werden, dass Energiekosten beim einzelnen Nutzer wie bei der Wirtschaft auch günstiger ankommen, sagt Lies. Dafür müssten vor allem die Netzentgelte stärker sinken.

Energie- und klimapolitische Forderungen an die neue Bundesregierung werden die fünf norddeutschen Länderchefs bei einem Treffen am Montag in Salzgitter beschäftigen, ebenso Kooperationsmöglichkeiten im Bereich der Verteidigung sowie die Industriepolitik. In der Medienrunde verweist Lies auf Herausforderungen energieintensiver Unternehmen wie dem Stahlproduzenzten Salzgitter, an dem Niedersachsen beteiligt ist.

Anreize für E-Fahrzeuge

Mit Blick auf die für Niedersachsen wichtige Autoindustrie drängt der Ministerpräsident die Koalition von Union und SPD im Bund, Anreize für die Beschaffung von Elektrofahrzeugen durch Geschäfts- und Privatkunden zu setzen. Dabei gehe es auch darum, Gebrauchtfahrzeuge „gesichert in den Markt“ zu bringen, um über eine Restwertsteigerung auch zu günstigeren Leasingangeboten für Neufahrzeuge zu kommen. Die Wertschöpfungskette müsse weiter und besser durchdekliniert werden, um größere Teile der Gesellschaft für E-Mobilität zu gewinnen. Die im Dezember erreichte Vereinbarung bei Volkswagen, zur Verbesserung der Profitabilität bis 2030 in Deutschland 35.000 Stellen abzubauen, bezeichnet Lies als harten Einschnitt. Man dürfe nicht vergessen, „dass wir handlungsfähig sein müssen“, mahnt der Regierungschef des mit 20% am Wolfsburger Fahrzeugbauer beteiligten Landes Niedersachsen und verweist auf neue Plattformen und neue Modelle in der Zukunft. Der Abbau müsse realisiert werden, „aber immer mit dem Blick darauf, dass wir auch produktionsfähig sein müssen am Standort in Deutschland“. Ziel sei es, die Werke zu erhalten.

Fokussierung bei VW

Zur Frage, ob die in der VW-Hauptversammlung Mitte Mai von Investoren abermals kritisierte Doppelrolle von Oliver Blume als Vorstandsvorsitzender des VW-Konzerns und als Chef der Sportwagentochter Porsche in Anbetracht vielfältiger Probleme und Aufgaben noch länger bestehen bleiben könne, sagt Lies, der Fokus müsse stärker auf dem Konzern liegen. Der Vorteil der Markenvielfalt biete die Chance, Synergien zu nutzen. Notwendig sei daher eine „auf den gesamten Konzern konzentrierte Arbeit“. Die Stärke des VW-Konzerns liege in der gemeinsamen Struktur, die ermögliche, dass die einzelnen Marken wettbewerbsfähig sind.

In dem Mediengespräch spricht sich Lies auch als Ministerpräsident mit Blick auf den internationalen Wettbewerb für eine Kooperation der norddeutschen Seehäfen aus – ein wegen unterschiedlicher Vorstellungen in Hamburg, Hannover und Bremen offenbar chancenloses Projekt. Die Sanierung der in Papenburg ansässigen Meyer Werft sieht der Regierungschef, der nach der Unterstützung des angeschlagenen Unternehmens durch Bund und Land weiterhin im Aufsichtsrat sitzt, im Plan. Ferner bekennt er sich zur Beteiligung Niedersachsens von derzeit rund 58% an der Nord/LB. Die Übernahme eines 24-prozentigen Anteils der Sparkassengruppe, die Ende 2019 eine milliardenschwere Rekapitalisierung der Landesbank unterstützte, steht nach dem 2024 erreichten Abschluss einer mehrjährigen Transformation der Nord/LB nicht an. „Im Moment gibt es diese Signale nicht.“