Belgische Banken

Bange Blicke auf den Immobilien­markt

Eigentlich steht der belgische Bankensektor mit seinen vier großen Playern recht stabil da. Sorgen bereiten den Instituten in der aktuellen Krise aber die Folgen der explodierenden Energiepreise auf dem Immobilienmarkt.

Bange Blicke auf den Immobilien­markt

Von Andreas Heitker, Brüssel

Die Warnung der belgischen Zentralbank war auf den ersten Blick deutlich: Zwar sei der heimische Finanzsektor direkt nur in sehr begrenztem Umfang gegenüber Geschäftspartnern in Russland, der Ukraine und Belarus exponiert, hieß es im Juni in einem Bericht der Notenbanker. Dennoch berge der Krieg in der Ukraine und die daraus resultierenden Folgen „potenziell erhebliche Risiken für die Finanzstabilität“ im belgischen Bankensektor.

Denn die Kreditbranche könnte, so die Befürchtung, vor allem über Zweitrundeneffekte getroffen werden: über Marktkorrekturen, eine höhere Volatilität auf den Finanzmärkten, einen Einbruch des Wirtschaftswachstums und einen weiteren Anstieg der Inflation. Was die Notenbanker aber insbesondere bei ihrem Finanzstabilitätsbericht in den Fokus nahmen war die Energiekrise und ihre Auswirkungen auf energieintensive Unternehmen und auf private Haushalte, die unter anderem Probleme mit ihren Immobilienkrediten bekommen könnten.

Seit der Veröffentlichung dieser Warnung sind fünf Monate vergangen und das konjunkturelle Umfeld hat sich deutlich noch weiter verdunkelt. Doch trotz der Energie- und Wirtschaftskrise zeigt sich der belgische Finanzsektor weiter stabil – was insoweit nicht so sehr überrascht, weil die Branche mit einer durchaus soliden Solvenzposition ausgestattet ist. „Sie ist daher in der Lage, potenziell erhebliche Schocks zu verkraften“, prognostizierte zuletzt auch schon die belgische Zentralbank im Sommer.

Einige Zahlen mögen dies verdeutlichen: Die harte Kernkapitalquote (CET-1-Quote) der belgischen Banken lag Ende 2021 bei 17,6 % und damit deutlich über dem Durchschnitt des Euroraums (15,8 %). Bereits seit der Finanzkrise vor gut einem Jahrzehnt, die tiefe Einschnitte in der Bankenlandschaft des Landes mit sich brachte, gehören die belgischen Institute eher zu den Vorreitern beim Aufbau von zusätzlichem Kapital. Daran hat auch die Pandemie nichts geändert.

Auch beim Kampf gegen notleidende Kredite (NPL) konnte die Branche 2021 weitere Erfolge melden: Die Quote sank binnen Jahresfrist auf nur noch 1,6 % von 2,1 % Ende 2020. Innerhalb der letzten sieben Jahre waren die notleidenden Kredite um gut 13 Mrd. Euro beziehungsweise 47 % zurückgegangen. Und auch bei der Rentabilität ging es nach der Corona-Delle zuletzt wieder aufwärts. Die Nettogewinne der belgischen Banken summierten sich im letzten Jahr auf 7,9 Mrd. Euro, was einer Eigenkapitalrendite von 10 % entsprach.

Und noch in diesem April – also Wochen nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine – berichteten belgische Medien, dass die vier großen Institute im belgischen Markt erstmals seit Jahren wieder in größerem Stil neue Mitarbeiter einstellen wollten. Die Rede war von rund 3200 neuen Jobs in den Jahren 2021/2022. Aktuell sind im belgischen Bankensektor rund 50000 Mitarbeiter beschäftigt.

81 Banken tummeln sich heute auf dem belgischen Markt. Die Branche kann damit auf einen durchaus beträchtlichen Konsolidierungskurs zurückblicken: Vor zehn Jahren wurden noch 104 Banken gezählt. Vor 20 Jahren standen in Belgien sogar noch rund 150 Kreditinstitute im Wettbewerb. Den Markt teilen sich heute im Wesentlichen vier Institute auf: BNP Paribas Fortis, KBC, ING Belgium und Belfius, die bezogen auf die Bilanzsumme einen Anteil von rund 70 % halten – beim Einlagen- und Hypothekenkreditgeschäft dürfte dieser Marktanteil sogar noch größer sein.

Vier große Player im Markt

Die Marktstruktur ist Folge der Finanzkrise: Im Herbst 2008 fand die wankende belgische Großbank Fortis bei der französischen BNP Unterschlupf, wodurch der belgische Staat zeitweise auch zum größten Einzelaktionär der Franzosen wurde. Die Belfius Bank wiederum ging aus der Zerschlagung der früheren Dexia-Gruppe hervor, der sie bis 2011 angehörte. Belfius befindet sich heute noch komplett in Staatsbesitz. Ein geplanter Börsengang war zuletzt 2018 wieder abgesagt worden.

Hinzu kommen im Quartett der Großen dann noch der belgische Banken- und Versicherungskonzern KBC sowie die Landesgesellschaft der niederländischen ING-Gruppe. Die Nummer fünf im belgischen Markt – die japanische SMBC – ist bereits weniger als halb so groß wie der viertplatzierte ING-Ableger. In der aktuellen Krise stehen insbesondere die Folgen der hohen Energiepreise auch im Fokus der Finanzwirtschaft. Dabei schätzt auch die belgische Zentralbank die Risiken aus dem Unternehmenssektor als eher überschaubar ein.

Denn das gesamte Kreditvolumen, das die heimischen Banken an Unternehmen mit mittlerem bis sehr hohem Energiebedarf vergeben haben, lag dem jüngsten Finanzstabilitätsbericht zufolge Ende 2021 bei rund 29 Mrd. Euro, was zwar 17 % ihrer gesamten ausstehenden Kredite an belgische Unternehmen entsprach – aber lediglich bescheidene 2,5 % ihrer gesamten Aktiva. Kreditausfälle scheinen daher durchaus verkraftbar.

Interessanter könnten da schon die Folgen der Energiekrise auf dem Immobilienmarkt sein, insbesondere mit Blick auf die vielen Wohnimmobilien mit einer niedrigen Energieeffizienzklasse. Wärmedämmung älterer Häuser wurde im Land beispielsweise lange stiefmütterlich behandelt, was heute auch dazu führt, dass die Energiepreisexplosion bei Mietern und Eigenheimbesitzern oft deutlich heftiger durchschlägt als in Deutschland. Eine Verfünffachung der Gasabschläge ist in Belgien aktuell eher die Regel als die Ausnahme, was viele private Haushalte bei der Miete oder der Ratenzahlung ihres Kredits überfordern.

Zahlungsaufschübe möglich

Hinzu kommen für den Finanzsektor, dass im Immobilienbereich auch die Sicherheiten für neu gewährte Darlehen neu adjustiert werden müssen. Es geht also nicht nur um mögliche Rückzahlungsschwierigkeiten, sondern auch um Wertverluste. Allerdings beginnen viele Immobilienbesitzer erst in diesen Monaten überhaupt damit, valide Daten zur Energieeffizienz ihrer Besitztümer zu sammeln. Ungünstig für die belgischen Banken ist in diesem Zusammenhang, dass sie die Vergabe von Hypothekarkrediten an private Haushalte in den vergangenen Jahren deutlich aufgestockt haben. Ende 2021 lag das Volumen bei schon 245 Mrd. Euro, was etwa 75 Mrd. Euro mehr war als noch 2014. Damit stehen hier mittlerweile 21 % der Gesamtaktiva der Banken im Feuer. Und hinzu kommen dann auch noch die Engagements der Branche im Bereich der Gewerbeimmobilien, die aber in Summe mit 45 Mrd. Euro deutlich kleiner ausfallen.

Bis jetzt ist der belgische Hypothekenmarkt einigermaßen stabil geblieben. Der belgische Finanzsektor hat sich aber seit Oktober verpflichtet, finanziell angeschlagene Personen so weit wie möglich zu unterstützen, indem ein Aufschub von Tilgungszahlungen für Wohnungsbaudarlehen angeboten wird. Nach Angaben des Bankenverbands Febelfin ist dies eine in Westeuropa bislang einzigartige Verpflichtung. Die Regelung gilt noch bis Ende März 2023.

Ersten Zahlen nach den ersten genehmigten 2 000 Zahlungsaufschüben lassen nach Einschätzung von Febelfin allerdings auch den vorläufigen Schluss zu, dass die belgischen Haushalte aktuell nur einen begrenzten Bedarf an diesem Angebot haben. Beantragt wurde im Schnitt ein Zahlungsaufschub von monatlich 430 Euro für einen Zeitraum von einem Jahr, so der Verband. Dies könnte sich aber in den nächsten Wochen noch ändern – nämlich je mehr feste Energielieferverträge gekündigt und in variable Verträge mit höheren Vorauszahlungen umgewandelt werden.

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