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Bitcoin-Crash ändert Digitalstrategie der Börse Stuttgart nicht

Ungeachtet des anhaltenden Ausverkaufs bei Kryptowährungen hält die Börse Stuttgart an ihrem Kurs fest. Sie konzentriert sich innerhalb ihrer Digitalstrategie auf den Handel mit Bitcoin & Co.

Bitcoin-Crash ändert Digitalstrategie der Börse Stuttgart nicht

Von Thomas Spengler, Stuttgart

Ungeachtet des anhaltenden Ausverkaufs bei Kryptowährungen hält die Börse Stuttgart an ihrem Kurs fest, sich innerhalb ihrer Digitalstrategie auf den Handel mit Bitcoin, Ethe­reum, Ripple & Co. zu konzentrieren. So konnten trotz des Crashs der Kryptowährungen auch im laufenden Jahr weiterhin neue Kunden hinzugewonnen werden, wie es bei der Börse heißt. Dies gilt sowohl für das MTF (Multilateral Trading Facility) BSDEX, die Börse Stuttgart Digital Exchange, als auch für die App „Bison“, mit der Privatanlegern seit 2019 auf bequeme Weise Kryptohandel per Smartphone geboten wird. „Einige Anleger haben die eingebrochenen Kurse als Einstiegsmöglichkeit genutzt“, sagt der CEO der BSDEX, Harald Patt. Demnach zählt das MTF inzwischen 100000 registrierte Nutzer, zu Beginn des Jahres waren es noch 20000 weniger. Auch die Zahl der aktiven Nutzer von Bison ist seit Jahresbeginn gestiegen – und zwar um 100000 auf nunmehr 650000. „Die große Resonanz auf ein nach deutscher Regulatorik organisiertes MTF für digitale Vermögenswerte zeigt, dass der Markt auf unser Angebot gewartet hat“, sagt Patt, der zum 1. Februar 2022 von der Scope Group zur Gruppe Börse Stuttgart gestoßen war.

Die These, wonach der Crash von Bitcoin & Co. das Risiko offenbare, das die Börse Stuttgart durch einen derart starken Fokus auf den Kryptomarkt eingegangen ist, weist man an dem Handelsplatz zurück. Die Gruppe sei mit ihren beiden strategischen Standbeinen im Kapitalmarktgeschäft und im Kryptogeschäft breit aufgestellt, sagte Chief Digital Officer (CDO) Ulli Spankowski. So ließen sich Schwankungen in beiden Geschäftsfeldern ein Stück weit abfedern und ausgleichen – „eine Möglichkeit, wie sie ausschließlich im Kryptomarkt aktive Wettbewerber nicht haben“, so Spankowski. Natürlich hätten die aktuellen Entwicklungen gewissen Einfluss auf das Geschäft der Börse, gesteht er zu. Es sei allerdings „nicht zielführend“, nun in der Zyklik der Märkte sinnvolle Maßnahmen grundlegend zu beschneiden. Das Engagement der Gruppe Börse Stuttgart im Kryptomarkt sei langfristig ausgerichtet.

Bekanntlich erhebt der Handelsplatz den Anspruch, die BSDEX zu einem führenden Handelsplatz für digitale Assets in Europa zu entwickeln – auch für institutionelle Marktteilnehmer. In diesem Sinne wurden Anfang Juni die bisher fünf handelbaren Kryptowährungen Bitcoin, Ethereum, Litecoin, Ripple und Bitcoin Cash um Uniswap und Chainlink ergänzt. Bis Ende 2022 sind mehr als 20 Kryptowährungen anvisiert. „Wir wollen eine breite und verlässliche Palette anbieten und dafür eine hohe Liquidität zur Verfügung stellen“, sagt Patt, der Handelsplätze wie Bitpanda, Coinbase oder Kraken zu den Wettbewerbern der BSDEX zählt.

Aktuell stellen neben der Euwax das Bankhaus Scheich sowie die Crypto Broker, die Handelstochter der Schweizer Crypto Finance Gruppe, An- und Verkaufspreise für Kryptowährungen. Im Unterschied zum klassischen Börsenhandel konkurrieren damit gleich mehrere Liquiditätsspender um den besten Preis innerhalb des Orderbuchs jeder einzelnen Kryptowährung. Dieser Mechanismus dürfte den Anlegern durch eine entsprechende Verengung der Spreads, also der Geld-Brief-Spanne, zugutekommen. „Es ist eben ein superenger Markt“, sagt Spankows­ki. Weitere Liquiditätsspender habe man im Köcher. Um eine möglichst hohe Preisqualität zu erreichen, soll möglichst viel Liquidität zusammengezogen werden, lautet das Prinzip. Nachdem bisher nur Privatanleger bei der BSDEX registriert sind, sollen vom dritten Quartal an institutionelle Kunden als Teilnehmer an das MTF angebunden werden. „Der Fortschritt bei den Anbindungen ist uns derzeit besonders wichtig“, so Patt.

Umsatz stark gefallen

Bei einem Jahresumsatz von 2,5 Mrd. Euro (2021) sieht Patt die BSDEX immer noch auf Start-up-Niveau. Nach 1,1 Mrd. Euro per Ende Juni soll der Vorjahreswert 2022 noch übertroffen werden. Indessen kam Bison bei einem Volumen von 5,6 Mrd. Euro im Gesamtjahr 2021 zum Halbjahr 2022 auf nur 1,2 Mrd. Euro. Dies resultiert auch aus dem starken Kursverfall der Kryptos. Bisher wurde mit der Bison-App, die von der Börsentochter Euwax betrieben wird, in der DACH-Region der aktive Markteintritt vollzogen, noch in diesem Jahr soll Italien folgen. Mit Blick auf den Kryptomarkt insgesamt schließt Spankowski nicht aus, dass es nochmals abwärts geht. Grundsätzlich aber ist er zuversichtlich für Bitcoin & Co. ­– unter anderem, weil viele institutionelle Anleger sich langfristig mit dem Kryptomarkt beschäftigen würden. Und was die Börse angeht, so steigt deren Geschäft, wenn die Schwankungsbreite steigt und neue Orders nach sich zieht. „Kryptowährungen mit ihrer Volatilität sind eben eine spannende Assetklasse für den, der spekulieren will“, resümiert Spankowski. Bei weiterhin starkem Wachstum geht man am Börsenplatz davon aus, dass das digitale Geschäft perspektivisch gleich groß wie das klassische Börsengeschäft werden wird. Insgesamt hat die Börse nach eigenen Angaben bis dato einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag in ihr Digital- und Kryptogeschäft gesteckt. Im ersten Halbjahr 2022 wurde der digitale Bereich um 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf 165 aufgestockt, womit die Gruppe Börse Stuttgart auf 650 Mitarbeiter kommt.

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