EU-Kommission

Brüssel verschärft erneut Nachhaltigkeits­regeln

Europas Banken und Versicherungen müssen sich auf noch strengere Nachhaltigkeitsvorgaben aus Brüssel einstellen. Ein Schwerpunkt liegt bei ESG-Risiken.

Brüssel verschärft erneut Nachhaltigkeits­regeln

ahe Brüssel

Die EU-Kommission will ihre Sustainable-Finance-Strategie erneut nachschärfen und dabei auch den Banken- und Versicherungssektor noch stärker in die Pflicht nehmen. Dies geht aus einem Strategiepapier der Brüsseler Behörde hervor, das voraussichtlich in der kommenden Woche veröffentlicht wird und der Börsen-Zeitung vorab vorliegt. Darin kündigt die Kommission zahlreiche weitere Schritte an, um die sogenannten ESG-Risiken (Environment, Social, Governance) noch stärker in den Fokus zu nehmen. Die Verschärfungen der Regeln betreffen dabei die Rechnungslegung, die Kreditratings, die mikro- und makroprudenzielle Regulierung sowie die Aufsichtsbefugnisse.

Unter anderem kündigte die EU-Kommission in dem Strategiepapier Änderungen der Kapitalrichtlinie (CRD/CRR) an. Diese sollten sicherstellen, „dass ESG-Faktoren konsequent in die Risikomanagementsysteme der Banken einbezogen werden“, hieß es. Bei der anstehenden Überprüfung der CRD/CRR solle es diesbezüglich verbindliche Anforderungen und Mandate für die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA geben. Die Aufsichtsbehörden sollten verpflichtet werden sicherzustellen, dass die Banken Nachhaltigkeitsrisiken angemessen managten. Das Mandat der EBA soll in Bezug auf die Identifizierung, Messung, Steuerung und Überwachung von ESG-Risiken angepasst werden. Die EU-Kommission will die Behörden auch ausdrücklich ermächtigen, ESG-Risiken in den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP) einzubeziehen.

Die Banken selbst werden den Vorstellungen Brüssels zufolge zudem verpflichtet, interne Stresstests durchzuführen, um ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimawandelrisiken und langfristigen negativen Auswirkungen zu testen. Die EBA soll Leitlinien für diese Stresstests erarbeiten.

Im Bereich der Offenlegungs- und Berichtspflichten will die EU-Kommission prüfen, ob Nachhaltigkeitsinformationen der Banken und ESG-Risiken auch in die aufsichtsrechtliche Berichterstattung integriert werden sollten. Die Behörde will auf jeden Fall die heutigen Offenlegungspflichten in Bezug auf Umweltrisiken auf einen größeren Kreis von Banken ausweiten. In dem Strategiepapier wird darauf verwiesen, dass dabei ein „verhältnismäßiger An­satz“ verfolgt werde, um eine unangemessene Belastung kleiner Banken zu vermeiden.

Auch Versicherer betroffen

Neben den Banken sollen auch die Versicherer einen stärkeren Beitrag leisten. Laut dem Papier wird die EU-Kommission bei der noch 2021 anstehenden Überarbeitung der Solvency-II-Richtlinie „Änderungen vorschlagen, um Nachhaltigkeitsrisiken konsequent in den Aufsichtsrahmen für Versicherer zu integrieren“. Die zuständige EU-Aufsichtsbehörde EIOPA soll dann beauftragt werden, zu untersuchen, ob bis 2023 eine ge­zielte aufsichtliche Behandlung von „Risiken im Zusammenhang mit Vermögenswerten und Tätigkeiten, die im Wesentlichen mit Umweltzielen verbunden sind“, gerechtfertigt wäre. Die EIOPA soll zudem die Wirksamkeit des derzeitigen Aufsichtssystems bewerten, insbesondere im Hinblick auf die Vermögensallokation und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Kapitalkosten von Unternehmen, die in Sektoren mit unterschiedlicher CO2-Intensität tätig sind.

Der EU-Abgeordnete Markus Ferber, der sich bereits mit den Plänen der Brüsseler Kommission beschäftigt hat, sieht es als „hochproblematisch“ an, dass die Behörde das europäische Finanzaufsichtsrecht mehr und mehr auf Nachhaltigkeit umzupolen versuche. „Nur weil irgendwo nachhaltig draufsteht, ist es nicht automatisch risikoärmer“, betonte der CSU-Finanzexperte. „Nachhaltigkeitsfaktoren ins risikobasierte Finanzaufsichtsrecht zu integrieren kann schnell nach hinten losgehen.“ Wenn Anleger den Eindruck bekämen, dass bei grünen Finanzprodukten das Risikomanagement hintanstehen müsse, sei der Sache ein Bärendienst erwiesen.

Taxonomie wird erweitert

Insgesamt kündigte die EU-Kommission in ihrer überarbeiteten Sustainable-Finance-Strategie sechs übergeordnete Maßnahmen an, die den Bereich der nachhaltigen Finanzierung voranbringen sollen. Dazu gehört auch, den Zugang zur Finanzierung von Übergangstechnologien – beispielsweise Gas im Energiesektor – zu vereinfachen und diesbezüglich auch den Taxonomie-Rahmen zu erweitern. Daneben soll es weitere Nachhaltigkeitsstandards und -Label geben, und in die Prospektverordnung sollen gezielt auch neue Offenlegungsregeln für grüne, soziale und nachhaltige Nichtdividendenwerte eingeführt werden. Überlegt wird zudem die Einführung von grünen Privatkundenkrediten und grünen Hypothekenkrediten.