Carsten Rogge-Strang

„Das Gesamtpaket ist für uns nicht darstellbar“

Vor der Tarifrunde sieht sich das private Bankgewerbe, das tief in der Transformation steckt, mit deutlichen höheren Lohnforderungen konfrontiert. Zankapfel dürfte ein Anspruch auf Arbeit im Homeoffice werden.

„Das Gesamtpaket ist für uns nicht darstellbar“

Von Angela Wefers, Berlin

„Das Gesamtpaket ist für uns nicht darstellbar“, sagt Carsten Rogge-Strang, Hauptgeschäftsführer des AGV Banken, der Börsen-Zeitung im Gespräch. Am 1. Juli ist Tarifstichtag für die neue Verhandlungsrunde des privaten Bankgewerbes. Die Hauptgewerkschaft Verdi und die beiden kleineren Gewerkschaften DBV und DHV hatten den aktuellen Tarifvertrag zum 30. Juni gekündigt und ihre Forderungen präsentiert (BZ vom 19.6.). Verdi verlangt eine Gehaltserhöhung von 4,5%, mindestens aber 150 Euro. Zudem will die Gewerkschaft einen Anspruch der Arbeitnehmer auf mobiles Arbeiten von ein bis drei Tagen durchsetzen – einschließlich einer Erstausstattungspauschale von 1500 Euro für jeden mobil arbeitenden Arbeitnehmer. Die DBV dringt mit 4,8% auf eine stärkere Gehaltserhöhung als Verdi, nennt aber noch keine Laufzeit. Die Forderung der DHV von 5,3% fällt nicht mehr ins Gewicht. Nachdem das Bundesarbeitsgericht der Gewerkschaft am Dienstag die Tariffähigkeit abgesprochen hat, sitzt sie nicht mehr am Tisch.

Gemessen an der Ausgangsforderung von 2019, als Verdi 6% mehr Lohn forderte, bleibt die Arbeitnehmervertretung diesmal moderater. Für den AGV Banken passt das aktuelle Begehren von plus 4,5% gleichwohl nicht in die wirtschaftliche Lage der von ihr vertretenen Institute, die in einem tiefgreifenden Transformationsprozess stecken. Dem Verband gehören rund 120 Institute an, die größtenteils tarifgebunden sind. Verhandelt wird für rund 140000 Be­schäftigte. Trotz der schwierigen Lage liegt die Vergütung heute schon über der Wertschöpfung, ist ein wichtiges Argument der Arbeitgeberseite (siehe Grafik). Der seit Jahren voranschreitende Personalabbau dürfte sich in diesem und im nächsten Jahr beschleunigen, ist Rogge-Strang überzeugt. Die Kostenentlastung lässt aber noch auf sich warten: Es gibt keine Entlassungen. Die Arbeitsplätze werden sozialverträglich über Altersregelungen und Abfindungen abgebaut.

Einem Argument der Gewerkschaften beugt Rogge-Strang vorsorglich vor – dem einer wachsenden Arbeitsverdichtung bei sinkender Belegschaftsstärke. „Die Arbeitsbelastung steigt trotz Personalabbau nicht“, sagt der Hauptgeschäftsführer. „Das zeigen uns unsere repräsentativen Umfragen. Die Belastungsindikatoren haben sich zuletzt trotz rückläufiger Beschäftigung nicht verschlechtert.“ Der Grund dafür liegt im technologischen Wandel. „Durch die hohe Digitalisierungsdynamik und zunehmend auch durch Künstliche Intelligenz reduziert sich das Arbeitsvolumen in bestimmten Bereichen und sinkt damit insgesamt“, unterstreicht Rogge-Strang.

Zankapfel Homeoffice

Ein wesentlicher Verhandlungspunkt dieser Tarifrunde dürfte das mobile Arbeiten werden. Dabei stehen die Banken nach der Erfahrung des Arbeitens im Homeoffice in der Pandemie einer Flexibilisierung durchaus offen gegenüber. Auf Dauer dürfte sich ein ausgewogener Mix einpendeln für Arbeit, die sich gut von zu Hause aus erledigen lässt und solcher, die Präsenz bedingt. Zu Letzteren gehören etwa die Einarbeitung neuer Mitarbeiter oder kritische Projektphasen. Denn grundsätzlich stellt Rogge-Strang fest: „Die Arbeitszufriedenheit hat sich erhöht.“

Entschieden wendet sich der AGV Banken aber gegen das Ansinnen, im Tarifvertrag einen Anspruch der Beschäftigten festzuschreiben, zu Hause arbeiten zu können. Dahinter stehen sowohl grundsätzliche Erwägungen als auch Praktikabilitätsgedanken. „Würden wir uns auf diese Forderung einlassen, wäre das ein massiver Eingriff in das Weisungsrecht des Arbeitgebers“, sagt Rogge-Strang. „Das können wir überhaupt nicht akzeptieren. Das berührt die Grundpfeiler der Gestaltung unserer Arbeitsbeziehungen.“ Aber auch in der praktischen Umsetzung in einem Tarifvertrag sieht der Hauptgeschäftsführer größte Schwierigkeiten. „Wir können nicht alle über einen Kamm scheren“, konstatiert Rogge-Strang. „Die Forderung eines Anspruchs auf mobiles Arbeiten trifft auf eine sehr heterogene Bankenlandschaft. Das passt nicht auf die Tarifebene.“ Das Spektrum der Mitgliedsinstitute erstreckt sich von Großbanken über Regionalbanken, Pfandbriefbanken, Spezialbanken, Privatbankiers bis zu Bauspar­kassen.

Auftakt der in Präsenz geplanten Verhandlungen ist am 1. Juli in Berlin – für den AGV geführt von Sabine Schmittroth, Vorständin der Commerzbank. Weitere vorgemerkte Termine sind der 26. August in Wiesbaden und der 24. September, wieder in Berlin. Erstmals verhandelt der AGV den Tarifvertrag nicht mehr auch für die öffentlichen Banken. Deren Bundesverband VÖB tritt nun in eigener Regie an.