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Die Masche der Fondsmanager von AGI US

Betrug oder nicht? Die Meinungen über die Ursache der Milliarden-Verluste von Allianz-Fonds in den USA gehen auseinander. Die Staatsanwaltschaft beschreibt das Vorgehen der Beschuldigten aus ihrer Sicht.

Die Masche der Fondsmanager von AGI US

Von Michael Flämig, München

Können drei Fondsmanager jahrelang ihre hochprofessionellen institutionellen Kunden an der Nase herumführen und schließlich einen Vermögensverlust von 7 Mrd. Dollar provozieren? Ja, sagt die US-Staatsanwaltschaft. Dies sei im Fall der Structured-Alpha-Fondsreihe, deren Zusammenbruch für die Allianz zu einem Schaden von 5,8 Mrd. Dollar vor Steuern geführt hat, geschehen (vgl. BZ vom 19. Mai). Zwei der drei Beschuldigten haben sich teilweise schuldig bekannt. Der Kopf des Trios lässt seine Verteidiger argumentieren, die Verluste seien nicht das Ergebnis von kriminellem Vorgehen.

Die Anschuldigungen treffen ein Team in der US-Landesgesellschaft von Allianz Global Investors. AGI US verwaltete Ende 2019 mit rund 300 Beschäftigten etwa 126 Mrd. Dollar. Von dieser Gesamtsumme waren im Jahr 2020 mehr als 11 Mrd. Dollar in 17 Fonds der Structured-Alpha-Strategie investiert. Ausschließlich diese Strategie verursachte hohe Verluste im Corona-Crash Anfang 2020.

Insgesamt elf Beschäftigte steuerten die Investments im Jahr 2020 von Miami aus. Eine Handvoll von ihnen sei an dem Betrug beteiligt gewesen, heißt es unpräzise. Drei werden von der Staatsanwaltschaft namentlich beschuldigt. An der Spitze steht Gregoire Tournant, der als Chief Investment Officer der Structured-Produktfamilie fungierte und von März 2017 bis 2019 Mitglied des Executive Committee von AGI US war. Er sei unterstützt worden von Trevor Taylor und Stephen Bond-Nelson.

Der Betrug gegenüber den Kunden fand nach Meinung der Ermittler mindestens seit 2014 bis März 2020 statt. Erstens sei das Risiko der Kapitalanlagen untertrieben worden. Zweitens habe das Trio das Ausmaß der Risikokontrolle durch unabhängige Stellen übertrieben.

Geld regiert die Welt

Das Motiv: die Erhöhung der Entlohnung. Denn je geringer die Anlagen gegen Volatilität abgesichert waren, desto besser entwickelten sie sich – zumindest in einem freundlichen Kapitalmarktumfeld. Damit stiegen die Performance-Gebühren, denn nur 70% der Outperformance über einen Benchmark-Index kamen den Kunden zugute. Die übrigen 30% erhielt AGI US. Ein Teil des Gewinns floss an die Fondsmanager.

Tournant und Taylor hätten beispielsweise jeweils 13 Mill. Dollar im Jahr 2019 erhalten, so die Staatsanwaltschaft. Laut der Wertpapieraufsicht SEC addierten sich ihre jeweiligen Vergütungen von 2016 bis 2020 auf 51 Mill. Dollar. Beide verdienten mehr als der Allianz-Vorstandschef. 

Wie verschleierten die Manager die wahren Risiken nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft? Erstens habe AGI US seit Ende 2015 auf Tournants Anweisung weniger Absicherung gegen Kursverluste gekauft, als gegenüber den Anlegern behauptet wurde. Die Hedges, die nur 10 bis 25% „out of the money“ hätten sein sollen, waren anfangs bis zu 45% und später bis zu 66% „aus dem Geld“. So sparte das Trio Ausgaben.

Um diese Abweichungen zu vertuschen, fälschten Tournant und Taylor laut Staatsanwaltschaft – zweitens – Arbeitsblätter von Investorenpräsentationen. So sei die Strike-Distance eines Hedges von 45% auf knapp 25% geändert worden, damit diese Absicherung wertvoller er­schien im Fall eines Crashs. Drittens­ habe Tournant die Daten von verwalteten Kapitalanlagen gefälscht. Aus Short-Positionen seien Long-Positionen geworden.

Tournant und Bond-Nelson haben der Staatsanwaltschaft zufolge – viertens – mehr als 75 Risikoreports einer AGI-US-Tochter verändert. Der Verlust im Fall eines signifikanten Marktabsturzes an einem Tag wurde beispielsweise von 30,82% auf 15,41% halbiert. Diese Tochterfirma galt bei den Kunden als unabhängig, weil die Entlohnung ihrer Beschäftigten nicht von der Fonds-Performance abhängig war. AGI US habe diese Unabhängigkeit auch als Marketinginstrument eingesetzt, heißt es.

Fünftens: Die Sensibilität auf Volatilität wurde untertrieben, indem Tournant Performance-Daten änderte. Beispielsweise für den 24. August 2015 behauptete er demnach einen Einbruch von 9,26%, tatsächlich seien es 18,26% gewesen. Darüber hinaus haben die Staatsanwälte vier weitere Betrugsvarianten ermittelt.

Wie konnten unterschiedlichste Eingriffe – teils wenig trickreicher Art – unentdeckt bleiben, wenn so wenige Personen eingeweiht wa­ren? Die Statements der Behörden lassen vier Antwortvarianten erkennen. Erstens: Wenn Finanzprodukte sehr komplex sind, sitzen sogar professionelle­ Anleger Lügen auf. Zweitens: Tournant setzte gezielt den Ruf der Allianz als eine konservative Versicherung ein, damit Kunden ihm vertrauten. Drittens: AGI US hat das Structured-Alpha-Team nicht adäquat beaufsichtigt. Im Jahr 2017 hätten interne Prüfer zwar den Hinweis gegeben, so die Behörden, die Übereinstimmung von Marketingmaterial und tatsächlichem An­lageverhalten sei zu checken. Mit dieser Aufgabe wurde aber kein Externer, sondern die Structured-Gruppe beauftragt.

Viertens hätten Kollegen des Trios zwar das Verändern von Zahlen bemerkt. Doch hätten Tournant und Bond-Nelson ihnen dieses Vorgehen damit erklärt, dass sie nur Fehler der Back-Office-Reports korrigierten. Die Kollegen hätten dies akzeptiert, da es tatsächlich Diskussionen über die Back-Office-Daten gegeben habe.

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