Credit Suisse

Die Unschuld längst verloren

Nach einer langen Liste an Skandalen ist klar: Nach Aufkehren des gröbsten Scherbenhaufens wird Credit Suisse einen Führungswechsel vornehmen müssen.

Die Unschuld längst verloren

Archegos, Greensill, Mosambik – die Liste der Skandale, welche die Credit-Suisse-Aktionäre gerade ziemlich viel Geld kosten, ist lang. Jetzt scheint ein weiterer hinzuzukommen: Es ist der Fall des betrügerischen Anlageberaters Patrice Lescaudron, der nicht nur seinen schwerreichen Kunden immense Verluste beschert hat, sondern nun auch noch seine frühere Arbeitgeberin zu hohen Schadenersatzzahlungen zwingen könnte. Der Fall liegt viele Jahre zurück. Erst jetzt aber haben die Geschädigten vor einem Gericht auf den Bermuda-Inseln einen Sieg errungen, der die schweizerische Bank in Dollar abermals einen hohen dreistelligen Millionenbetrag kosten könnte.

Archegos und Greensill hatte der amtierende Credit-Suisse-Chef Thomas Gottstein vor einem Jahr noch als idiosyn­kratische Ereignisse bezeichnet. So bezeichnen Versicherungen un­systematische Einzelrisiken. Statt den gestelzten Begriff zu verwenden, hätte Gottstein besser ganz einfach von schlimmen Managementfehlern gesprochen. Doch der CEO wollte eben auch andeuten, dass diese in seiner Bank nicht systematisch auftreten. Die nicht enden wollende Serie an Fehlschlägen zeigt nun allerdings genau das Gegenteil.

Gewiss, die Milliardenverluste aus der Finanzierung irrwitziger Börsenspekulationen eines größenwahnsinnig gewordenen New Yorker Hedgefonds-Managers namens Archegos haben auf den ersten Blick wenig bis gar nichts mit den Klumpenrisiken zu tun, die sich in jene Investmentfonds eingeschlichen hatten, mit denen Credit Suisse ihre Kunden die Lieferkettengeschäfte des vermeintlichen Finanzwunderkindes Lex Greensill mitfinanzieren ließ. Noch weniger offensichtlich ist der Zusammenhang mit kriminellen Kreditgeschäften in Mosambik oder mit den gerade zur Diskussion stehenden betrügerischen Geschäften eines Anlageberaters.

Durch all diese Fälle aber zieht sich unübersehbar ein roter Faden: Bei Credit Suisse fehlt es seit Jahren an Kontrolle. Das hat System. Vielleicht sind es die fehlenden Skalenerträge im Vergleich zur Lokalrivalin UBS, die Credit Suisse mit einer geradezu unfassbaren Risikotoleranz zu kompensieren versucht.

Immer deutlicher wird indessen, dass 2022, anders als vom Management vor kurzem noch versprochen, nicht das einzige Übergangsjahr bleiben dürfte. Um die lange und trübe Geschichte abstreifen zu können, wird Credit Suisse nach dem Aufkehren des gröbsten Scherbenhaufens auch einen Führungswechsel vornehmen müssen. Chef Thomas Gottstein hat seine Unschuld längst verloren.