Erderwärmung

Die Versicherer und der Wahnsinn

Die Assekuranz tut zu wenig, um die Produktion fossiler Brennstoffe zu reduzieren. Vor allem Versicherer aus den USA, China und – konkret – Lloyd‘s müssten sich aber noch mehr zurückhalten.

Die Versicherer und der Wahnsinn

Von Thomas List, Frankfurt

Kein Zweifel, es geht voran: Immer mehr Versicherer sind nicht mehr bereit, Kohle-, Öl- und Gasprojekte zu versichern. Aber das reicht nicht. Denn weltweit werden immer mehr fossile Brennstoffe produziert. Dabei müssen wir, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken, die Förderung fossiler Brennstoffe deutlich zurückfahren.

Die anhaltende Produktionsausweitung bezeichnete UN-Generalsekretär António Guterres anlässlich der Veröffentlichung des jüngsten Weltklimaberichts im April als „moralischen und wirtschaftlichen Wahnsinn“. Für „Insure Our Future“ trägt die Versicherungswirtschaft eine Mitschuld an diesem Wahnsinn, wie es in der heute erschienenen „Scorecard“ heißt. Darin bewertet das Kampagnennetzwerk inzwischen das fünfte Jahr in Folge die weltweit führenden Versicherer im Bereich fossiler Energien nach der Qualität ihrer entsprechenden Richtlinien. Gut voran geht es bei neuen Kohlekraftwerken. Die meisten großen Versicherer decken deren Risiken nicht mehr ab. Das bedeutet das Aus für viele dieser Projekte. Denn die meisten der Versicherer, die solche Ausschlüsse noch nicht haben, verfügen weder über die Expertise noch die Versicherungskapazitäten, um solche Risiken einschätzen bzw. abdecken zu können. Eine Ausnahme bildet China, wo nationale Assekuranzgesellschaften einspringen.

Immerhin halten sich inzwischen Erstversicherer, die knapp 40% des Weltmarkts abdecken, von Kohlerisiken fern, bei den Rückversicherern sind es sogar 62%, heißt es in dem Bericht von „Insure our Future“. Allerdings betrifft das meist nur neue Projekte, nicht bestehende.

Deutlich mauer sieht es allerdings im Öl- und Gasbereich aus. Der Marktanteil der Versicherer, die von diesen Risiken die Finger lassen, hat sich zwar bei den Erstversicherern verdreifacht und bei den Rückversicherern sogar verzwölffacht, aber ausgehend von einem deutlich niedrigeren Niveau. In der Erstversicherung liegt ihr globaler Marktanteil nun bei 15,9%, bei den Rückversicherern bei 37,6%.

Allianz, Swiss Re und Munich Re sind seit neuestem bei neuen Vorhaben zur Öl- und Gasexploration und -produktion nicht mehr dabei. Es fällt auf, dass europäische Erst- und Rückversicherer, allen voran Allianz und Axa, bei der Nichtzeichnung von Risiken aus fossilen Brennstoffen vorn liegen, während US-Amerikaner, Chinesen und Lloyd’s am Schluss des Rankings zu finden sind. Immerhin setzt bei den Amerikanern, Beispiel AIG, ein Umdenken ein. Allerdings – die Fortschritte sind viel zu langsam und bei weitem nicht ausreichend. Die Assekuranz steht in der Verantwortung, dazu beizutragen, den Trend zur Ausweitung der Produktion fossiler Brennstoffe zu brechen.

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