Sanktionen

EU diskutiert über Swift-Ausschluss Russlands

Debatten über einen möglichen Ausschluss Russlands vom Swift-Zahlungssystem keimen wieder auf – bislang ergebnislos. Vorbehalte in der EU wegen Kollateralschäden der finanziellen „Nuklearoption“ sind hoch.

EU diskutiert über Swift-Ausschluss Russlands

fir Frankfurt

Die Diskussion über eine mögliche Abkoppelung russischer Banken vom internationalen Zahlungssystem Swift hat mit der Invasion russischer Truppen in der gesamten Ukraine neue Nahrung erhalten. Entsprechende Gedankenspiele waren zuletzt Ende vergangenen Jahres im Zusammenhang mit einem von Washington vorgelegten Entwurf eines Sanktionspakets gegen Russland aufgekommen (vgl. BZ vom 18.12.2021). Die Außenminister Estlands, Lettlands und Litauens forderten am Donnerstag, Russland von Swift abzukoppeln, meldete die Nachrichtenagentur Reuters. Gleichermaßen äußerte sich demnach der als bislang sehr russlandfreundlich geltende tschechische Präsident Milos Zeman, der dazu aufrief, jetzt über die bisherigen Planungen hinauszudenken. Auch der britische Premier Boris Johnson soll sich Finanzkreisen zufolge dafür starkgemacht haben.

Aktuell gebe es aber keine Einigung in der Europäischen Union über einen Swift-Ausschluss, hieß es mit Verweis auf einen ungenannt bleibenden EU-Diplomaten weiter. Diese Möglichkeit sei mit Vorsicht zu behandeln, zumal über das Ausmaß der Kollateralschäden noch Ungewissheit herrsche, so ein weiterer Insider. „Ob Russland von Swift abgetrennt wird, ist schwer zu sagen“, urteilt Payment-Fachmann Bernd Richter vom US-amerikanischen IT- und Zahlungsdienstleister FIS. „Das ist offen. Die Frage ist, wer anfängt zu rufen und wie das Echo auf diesen Ruf ausfällt.“ Würde die häufig als finanzielle „Nuklearoption“ bezeichnete Abtrennung gezogen, wären die Konsequenzen beträchtlich. Mit einer Abschaltung von Swift käme auch der gesamte Handel mit Russland zum Erliegen.

Über Swift wird kein Geld transferiert, sondern nur die Aufforderung, Geld zu überweisen. Neben dieser technischen Infrastruktur biete Swift aber auch einen rechtlichen Rahmen und somit Rechtssicherheit, macht Richter deutlich. Theoretisch ließe sich Swift ersetzen, indem Bankmitarbeiter zum Telefonhörer greifen, Faxe verschicken oder Videotelefonate führen, um Nachrichten zu avisieren. Dass Banken diese Option tatsächlich zögen, hält Richter für unwahrscheinlich: „Das kann man machen, dann entfällt aber der Rechtsrahmen. Außerdem arbeiten Banken stark automatisiert und vernetzt und erwarten Swift-Nachrichten für Zahlungsaufforderungen. Alles außer der Reihe bedarf gesonderter Regelungen. Normalerweise würden sich Banken nicht auf Zahlungsaufforderungen einlassen, die jenseits des Prozesses ablaufen.“

Mit einer Abtrennung russischer Banken von Swift würden auch Sanktionen gegen Finanzinstitute einhergehen, ist sich Richter sicher. „Russische Großbanken würden dann offiziell geächtet und Geschäfte mit ihnen untersagt. Dann hat das wie bei allen anderen Sanktionen, die von den USA verhängt wurden, auch Folgen für westliche Finanzinstitute. Das haben wir auch im Iran gesehen. Dem Sanktionsrisiko werden sie sich nicht aussetzen wollen.“

Mit Bitcoin und Co. bestehe mittlerweile eine zweite Zahlungsverkehrsinfrastruktur, welche Transfers ermögliche, die keiner technologischen Regulation unterliegen. „Falls Swift abgeschaltet wird, würde nach anderen Wegen geschaut, um Transaktionen auszuführen, etwa mittels Kryptowährungen. Im großen Stil wäre das aber keine Alternative, da Geschäfte mit Russland gewissermaßen vergiftet sind“, sagt Richter.

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