Daniel Risch

„Geld verstecken kann man in Liechtenstein nicht“

Daniel Risch, Regierungschef des Fürstentums Liechtenstein, spricht im Interview der Börsen-Zeitung über den Finanzplatz, das Verhältnis zu Deutschland und das weltweit erste Blockchain-Gesetz.

„Geld verstecken kann man in Liechtenstein nicht“

Stefan Paravicini.

Herr Risch, das Bild von Liechtenstein in der deutschen Öffentlichkeit ist zuweilen immer noch von einer mehr als zehn Jahr alten Steueraffäre geprägt. Welchen Eindruck haben Sie nach Ihrem Besuch bei Bundeskanzler Olaf Scholz vom Verhältnis der beiden Länder auf Regierungsebene?

Das Verhältnis ist sehr gut. Es ist immer etwas Besonderes, wenn der kleinste deutschsprachige Staat beim größten auf Besuch ist. Die damalige Steueraffäre ist in diesen Gesprächen heute aber kein Thema mehr. Es wird anerkannt, dass unser Land in den vergangenen Jahren eine große Entwicklung gemacht hat. Wir waren von Anfang an beim automatischen Informationsaustausch dabei, wir erfüllen alle Standards, die es zu erfüllen gilt, wir durchlaufen derzeit das 5. Moneyval-Assessment des Europarats, das unseren Finanzplatz zwei Jahre lang beschäftigt hat. Wir unterhalten uns auf Regierungsebene über strategische und operative Themen, wie beispielsweise die Zusammenarbeit unserer Behörden, die nach meiner Meinung nie besser war. Aber ja, mir ist bewusst, dass es Zeit und Geduld benötigt hat, um Klischees und Vorurteile auszuräumen.

Die Vermögensverwalter im Fürstentum haben zuletzt kräftige Nettozuflüsse von Vermögenden aus Deutschland verbucht, die sich Sorgen vor einer möglichen Erhöhung der Erbschaftsteuer gemacht haben. Ist Liechtenstein immer noch eine Steueroase?

Geld verstecken kann man in Liechtenstein nicht. Jeder, der Vermögen hat und es anlegen will, der weiß, dass durch den automatischen In­formationsaustausch Transparenz herrscht. Wer aber auf politische Stabilität setzt, der ist in Liechtenstein sicher gut aufgehoben. Wir sprechen die gleiche Sprache wie Anleger aus Deutschland. Das mag mit ein Grund sein, warum sie gerne nach Liechtenstein kommen. Und wir haben auf dem liechtensteinischen Finanzplatz erfahrene und bestens ausgebildete Profis für die Strukturierung und Verwaltung von Vermögen und sind deshalb für internationale Kunden eine gute Adresse.

Liechtenstein hat im Zuge der Sanktionen wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine 260 Mill. sfr eingefroren. Allein die Banken Ihres Landes verwalten mehr als 400 Mrd. sfr für ihre Kunden. Wie hoch ist der Anteil der in Liechtenstein verwalteten Vermögen, die auf russische Kunden entfallen?

Wir tragen Sanktionen nicht erst seit dem russischen Angriff auf die Ukraine mit, sondern sind es gewohnt, internationale Sanktionen umzusetzen. Die Finanzmarktakteure wissen deshalb, was zu tun ist. Wir sind aber einer von wenigen Staaten außerhalb der EU, der die Sanktionen der EU aufgrund des russischen Angriffskriegs autonom übernommen hat. Die 260 Mill. sfr sind Gelder, die auf liechtensteinischen Konten liegen und jetzt festgesetzt sind. Das hat mit den verwalteten Vermögen nur indirekt zu tun, weil ja nur ein Teil der verwalteten Vermögen auf Konten in Liechtenstein liegt. Wir haben eine grobe Abschätzung, dass von den insgesamt verwalteten Vermögen ein tiefer einstelliger Prozentsatz aus Russland stammt.

Es gab mehrfach Hinweise, dass dem Kreml nahestehende Kreise über Treuhänder aus Liechtenstein Vermögenswerte wie Yachten und Luxusimmobilien erworben haben. Droht dem Finanzplatz ein neuer Imageschaden?

Dass wir die Sanktionen mittragen, ist kein Lippenbekenntnis. Wir setzen sie auch konsequent um. Und wenn man das tut, dann sieht man auch Effekte. Deshalb ist es nicht überraschend, wenn solche Vermögenswerte gefunden, gemeldet und festgesetzt werden. Ich sehe das nicht als Problem, sondern als Beweis, dass Sanktionen greifen. Wenn beispielsweise eine Yacht über eine Struktur in Liechtenstein gehalten wird, können wir sie aber nicht selbst festsetzen, da sie ja nicht auf unserem Territorium ist. Deshalb ist es wichtig, dass die internationale Zusammenarbeit der Behörden funktioniert und diese Meldungen weitergegeben werden. Wenn dann über festgesetzte Vermögenswerte – und damit die Umsetzung der Sanktionen – berichtet werden kann, ist das für die Beteiligten als Erfolg zu sehen und nicht als Imageschaden. Was für unser Image viel schlimmer wäre: Wenn jemand anderes herausfinden würde, dass solche Werte über Liechtenstein gehalten werden und wir wüssten es nicht.

Sehen das die Akteure am Finanzplatz auch so?

Ja. Das Bewusstsein ist sehr hoch und ich kann sagen, dass nicht nur die Behörden, sondern auch die Finanzplatzteilnehmer wissen, was sie zu tun haben. Das Commitment ist von allen Seiten da, auch wenn es beispielsweise darum geht, EWR-Rechtsakte wie jüngst die Taxonomie-Verordnung zu übernehmen. Dann drängt der Bankenplatz auf eine schnelle Umsetzung, weil die Marktteilnehmer keinen Nachteil gegenüber den EU-Staaten haben wollen. Das alles hat sich in den vergangenen 15 Jahren deutlich verändert.

Der Bundeskanzler hat nach Ihrem Besuch die Bemühungen Liechtensteins bei der Bekämpfung von Menschenhandel und Sklaverei in der Initiative Finance Against Slavery and Trafficking (FAST) gelobt. Worum geht es da?

In der liechtensteinischen Politik sind Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit schon immer wichtige Themen. Vor diesem Hintergrund und auch mit Blick auf die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen haben wir vor fünf Jahren die FAST-Initiative ins Leben gerufen. Es geht um die Prävention von Menschenhandel und moderner Sklaverei durch möglichst frühes Erkennen der damit verbundenen Finanzströme. Die Initiative wurde von Liechtenstein initiiert und wird neben uns von Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen und Australien mitfinanziert. Unser Bankenplatz hat sich ebenfalls stark eingebracht. Angesiedelt ist die Initiative an der UN University in New York.

Und die Bundesregierung?

In Deutschland gibt es mit dem Lieferkettengesetz eine Grundlage, die in gewissen Bereichen in die gleiche Richtung geht. Eine Kombination von FAST mit Fokus auf die Finanzströme und einer gesetzlichen Grundlage im Bereich der Lieferketten kann sicher helfen, Leid aus der Welt zu schaffen. Die FAST-Initiative wurde beim Treffen zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und mir am Dienstag auch besprochen und in der Pressekonferenz die Unterstützung Deutschlands angesprochen. Wir sind in guten Gesprächen.

Liechtenstein hat 2019 als erstes Land ein Gesetz zur Regulierung der Blockchain-Technologie verabschiedet. Welche Bedeutung hat das für den Finanzplatz?

Grundsätzlich spielt Technologie für den Finanzplatz seit Jahren eine entscheidende Rolle. Die Blockchain-Technologie mit ihrem dezentralen Ansatz hat das Potenzial, vieles von dem, was wir heute machen, zu verändern und auf den Kopf zu stellen. Uns war es wichtig, einen ganzheitlichen Ansatz zu verankern und nicht nur Kryptowährungen oder Coin Offerings zu regulieren. Der Kern der Blockchain ist, dass sie das Vertrauen in eine zentrale Stelle obsolet macht. Das Gesetz fokussiert daher auch auf „vertrauenswürdige Technologien“ und die „Token-Ökonomie“. Aus meiner Sicht ist es wirklich gut gelungen und wir sehen, dass nun auch auf EU-Ebene in die gleiche Richtung gearbeitet wird.

Wird Liechtenstein zum Krypto-Standort?

Das Gesetz hat uns neben viel Expertise und Aufmerksamkeit auch einige Firmen gebracht, die einen rechtssicheren Rahmen suchen. Wir machen in Liechtenstein aber ganz grundsätzlich keine aktive Ansiedlungspolitik. Wir sind ein wirtschaftsliberaler Staat, der gute Rahmenbedingungen für alle schafft – dazu gehört auch das Blockchain-Gesetz. Damit legen wir die Basis, dass neue Dingeentstehen können. Aber wir haben uns weder zum Ziel gesetzt, das neue Crypto-Valley zu werden, noch sonst in einem Bereich möglichst viele Arbeitsplätze anzusiedeln. Das passt auch nicht zu Liechtenstein. Wir sind stolz auf unsere diversifizierte Wirtschaft, auf einen starken Finanzplatz und einen hoch industrialisierten Werkplatz sowie die Innovationen, die uns dahin gebracht haben. Die Blockchain ist auf diesem Weg ein weiteres Puzzlestück.

Sie sprechen die Wirtschaftsstruktur an, der überwiegende Teil der Bruttowertschöpfung entfällt ja nicht auf den Finanzplatz, sondern auf den industriellen Mittelstand. Gefährdet das Abkommen zur globalen Mindeststeuer das Geschäftsmodell des Industriestandorts?

Liechtenstein hat kein „Geschäftsmodell“, das auf niedrigen Steuern fußt. Unser Staat nimmt so viel Steuern ein, wie er braucht, und versucht die Belastung für Unternehmen möglichst gering zu halten, damit sie Spielraum haben. Damit leben wir seit mehr als 70 Jahren gut. Ich kenne aber keine Firma, die wegen tiefer Steuern nach Liechtenstein gekommen ist. Gerade die großen Unternehmen wie etwa Hilti, Hoval, Neutrik oder Ivoclar Vivadent sind in Liechtenstein gegründet worden und seit jeher hier ansässig. Sie sind hier groß geworden und exportieren heute in die Welt. Wir gehen deshalb auch nicht davon aus, dass eine Firma wegen der globalen Mindeststeuer aus Liechtenstein weggeht.

Ein Fan der globalen Mindeststeuer wird Liechtenstein aber nicht mehr, oder?

Wir haben den Mindeststeuer-Kompromiss mitgetragen. Wir waren kritisch vor allem mit Blick auf den Zeitplan. Diesen halten wir für ex­trem sportlich, und man sieht ja bereits, dass es wahrscheinlich ein bisschen länger dauern wird. Aber wir sind auch in diesem Thema ein sehr konstruktiver Partner, nicht nur für Deutschland.

Das Interview führte

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