Investments in Immobilien

Immer kleinere Immobilienprämie

Immobilien sind in unsicheren Zeiten bei vielen Investorinnen und Investoren beliebt. Ob sich die Anlageklasse auch im aktuellen Umfeld stabil entwickelt, wird sich jedoch erst noch zeigen müssen.

Immer kleinere Immobilienprämie

Immobilien sind in unsicheren Zeiten bei vielen Investorinnen und Investoren beliebt. Ob sich die Anlageklasse auch im aktuellen Umfeld stabil entwickelt, wird sich jedoch erst noch zeigen müssen. Dass Immobilienanlagen gerade in turbulenten Zeiten gefragt sind, lag in der Vergangenheit vor allem an zwei Gründen: Die Performance von Immobilien schwankt allgemein und insbesondere in der DACH-Region weniger stark, als es die Werte anderer Anlageklassen tun. Die Cashflow-Einnahmen von Bestandsobjekten sind bei konjunkturellen Abschwüngen relativ stabil.

Prämisse Inflationsschutz 

Investitionen in Immobilien werden oft auch unter der Prämisse eines Inflationsschutzes getätigt. Ein solcher Effekt ergibt sich dann, wenn Mieterträge und Immobilienpreise stärker wachsen als die Konsumentenpreise. Diese Annahme trifft auf die Realität aber nicht immer zu, wie verschiedene empirische Studien gezeigt haben. Vereinfacht lässt sich sagen, dass auf dem Wohnungsmarkt häufig (jedoch nicht immer) ein Inflationsschutz nachgewiesen werden kann. Bei den Gewerbemieten konnte nur ein schwacher Zusammenhang zwischen Inflationsraten und Mieten gezeigt werden. 

Der Hauptgrund für die robuste Performance von deutschen Immobilien während der vergangenen Jahre lag in der anhaltend hohen Risikoprämie. Diese Risikoprämie lässt sich anhand der Differenz zwischen den Anfangsrenditen für Immobilien und einem Basiszinssatz ermitteln. Wählt man als Basiszinssatz die aktuelle Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen – ein Ansatz, nach dem häufig vorgegangen wird –, betrug der Renditespread (Yield Spread) im ersten Quartal 2022 für Büroobjekte in Berlin 220 Basispunkte. Dabei betrugen die Nettoanfangsrenditen 2,4% und der Basiszinssatz 0,2%.

 Eine Analyse über die vergangenen zehn Jahre zeigt aber, dass sich die Risikoprämien für Immobilien jüngst spürbar verringert haben. Noch vor Ausbruch der Corona-Pandemie lag der Renditespread bei rund 320 Basispunkten, was in etwa dem 10-jährigen Schnitt entspricht. Dabei war er Mitte 2019 gar wieder angestiegen, weil die Nettoanfangsrenditen (trotz steigender Immobilienpreise) weniger stark gesunken sind als die Renditen für 10-jährige deutsche Staatsanleihen. Seit Anfang 2021 liegt die Risikoprämie nun unter dem langjährigen Schnitt. Zurückzuführen ist dies darauf, dass die Zahlungsbereitschaft für Immobilienanlagen weiter gestiegen ist, woraufhin die Nettoanfangsrenditen kontinuierlich gesunken sind. Gleichzeitig stieg aber der Basiszinssatz wieder an.

 

Spitzenrenditen 1.Q.22

Renditespread per Ende März

Berlin

2,4%

1,9%

München

2,5%

2,0%

Hamburg

2,6%

2,1%

Köln

2,7%

2,2%

Frankfurt

2,6%

2,1%

Düsseldorf

2,8%

2,3%

Stuttgart

2,8%

2,3%

 Die im vergangenen Jahr eingesetzte Entwicklung hat sich im laufenden Jahr akzentuiert. Die Renditen für Staatsanleihen sind seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine nochmals spürbar gestiegen. So lagen die Renditen für die 10-jährigen deutschen Bonds Ende des ersten Quartals bei rund 0,5%, was einem Anstieg von rund 40 Basispunkten gegenüber dem 24. Februar 2022 entspricht. Bis zum gestrigen Donnerstag erhöhten sie sich um weitere 85 Basispunkte auf 1,35 %.

 Die Anstiege bei den Renditen von Staatsanleihen sind erstens Ausdruck der Erwartungen einer erhöhten Inflation in den kommenden Jahren. Dies führt unter anderem dazu, dass Staatsleihen an Attraktivität verlieren, weshalb die Renditen steigen. Zweitens hat die Europäische Zentralbank (EZB) angekündigt, die Leitzinsen bis September 2022 zu erhöhen. In anderen Währungsräumen ist man schon einige Schritte weiter – unter anderem bei den folgenden Zentralbanken wurden die Leitzinsen erhöht: Fed (USA), Bank of England, Bank of Canada, People’s Bank of China. 

Wie sich die jüngste Basiszinserhöhung konkret auf die Zahlungsbereitschaft für Immobilien auswirken wird, kann derzeit noch nicht ab­schließend beurteilt werden. Dies hängt von verschiedenen Rahmenfaktoren ab. Es ist allerdings augenfällig, welch enger Zusammenhang zwischen den Renditen von direkten Immobilienanlagen und Renditen von Staatsanleihen besteht.

Bei Analysen mit den Zeitreihen der Renditen von Staatsanleihen unterschiedlicher Laufzeiten und den historischen Daten für unterschiedliche Immobiliensegmente ist zum Vorschein gekommen, dass die Beziehung zwischen Bondrenditen für 20-jährige Staatsanleihen und den Anfangsrenditen im Wohnungsmarkt am engsten ist. Das Bestimmt­heitsmaß beträgt 87%.

Abhängigkeit vom Bondmarkt

Die Analyse lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Attraktivität von Anlagen im Wohnungsmarkt besonders stark von den Renditen im Bondmarkt abhängig ist: Je höher die Renditen für Staatsanleihen sind, desto tiefer ist die Zahlungsbereitschaft für Wohnimmobilien. Der Bondmarkt bietet mit höheren Renditen eine attraktivere Anlagealternative, weshalb die Anfangsrenditen für Immobilien (mit einer gewissen Verzögerung) steigen, damit die marktübliche Immobilienprämie weiterhin realisiert werden kann. 

Bei Betrachtung einzelner Zeitperioden in der Vergangenheit zeigt sich, dass Anstiege bei den Bondrenditen nicht kausal zu einer deutlich tieferen Zahlungsbereitschaft für Immobilienanlagen führen müssen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Zinssensitivität heute höher ist als in der Vergangenheit. Denn erstens befinden wir uns auf einem viel niedrigeren Zinsausgangsniveau. Zweitens ist der Markt für Immobilienanlagen transparenter und folglich effizienter geworden. Wie sich die Zahlungsbereitschaft in den kommenden Monaten entwickeln wird, hängt aber nicht nur von der Zinsentwicklung, sondern auch von den Fundamentaldaten ab. Dies ist besonders im Büromarkt relevant. Hier hat sich die Nutzernachfrage nach einem deutlichen Einbruch im Vorjahr stabilisiert. Die positive Marktdynamik wird durch die bisher ausbleibende Insolvenzwelle und die gute Entwicklung des Arbeitsmarktes ge­stützt. Nichtsdestotrotz be­stehen konjunkturelle Risiken infolge der hohen Inflationsraten und wegen der unvorhersehbaren Entwicklung in der Ukraine. Zudem liegen Unsicherheitsfaktoren betreffend der Rückkehr an die Arbeitsplätze vor – Stichwort Homeoffice. 

Grundsätzlich befindet sich der deutsche Immobilienmarkt auf einem soliden Fundament. Die Ausgangslage ist gut, dass insbesondere Investoren, die in bestehende Immobilien investiert sind und die über eine angemessene Eigenkapitalquote verfügen, die kommenden Herausforderungen am Immobilienmarkt meistern werden. Denn die Nutzernachfrage und auch die Investorennachfrage nach Immobilien ist weiterhin intakt.

Zahlungsbereitschaft sinkt

Dennoch muss auch davon ausgegangen werden, dass sich die Zahlungsbereitschaft für Immobilien in Zeiten steigender Zinsen reduzieren könnte, liegt doch die Immobilienprämie derzeit unter dem langfristigen Mittel. Inwieweit durch steigende Baukosten und die höhere Inflation bedingte Mietanstiege die Wertauswirkung im Ganzen dann kompensieren, bleibt abzuwarten.