Börsenkandidaten

IPO-Welle rollt auf London zu

Emittenten haben so viel Geld bei Londoner Initial Public Offerings (IPOs) im Auftaktquartal eingesammelt wie zuletzt 2006. Aus der Finanzbranche strebt nun etwa Wise (zuvor: Transferwise) aufs Parkett.

IPO-Welle rollt auf London zu

hip London

Nach dem stärksten Auftaktquartal für Initial Public Offerings an der London Stock Exchange (LSE) seit 2006 wird eine ganze Reihe von Börsenkandidaten aus der Finanzbranche um die Gunst der Anleger werben. Das Fintech-Unternehmen Wise (zuvor: Transfer­wise), das den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr für Retailkunden revolutionierte, ist der bekannteste. Schon seit einiger Zeit wird über einen Börsengang spekuliert. Bereits Ende Januar hieß es, Goldman Sachs und Morgan Stanley seien mandatiert worden (vgl. BZ vom 22. Februar). Nun scheint sicher zu sein, dass er an der Themse und nicht am Hudson erfolgen soll. Eine Marktkapitalisierung zwischen 6 Mrd. und 7 Mrd. Dollar gilt als erreichbar. Bei der jüngsten Finanzierungsrunde wurde das 2011 gegründete Unternehmen, das seit vier Jahren schwarze Zahlen schreibt, mit 5 Mrd. Dollar bewertet.

Duale Aktienstruktur

Wie der Bringdienst Deliveroo, dessen Kurs am ersten Handelstag abstürzte, plant  Sky News zufolge auch Wise eine duale Aktienstruktur. Dadurch könnten der Mitgründer und Chief Executive Kristo Käärmann und Investoren, die schon früh mit dabei waren, wie Richard Branson, Baillie Gifford und die Risikokapitalgesellschaft Andreessen Horowitz, die Kontrolle über die Gesellschaft behalten. Der ehemalige EU-Finanzkommissar­ Jonathan Hill hatte in einem von Schatzkanzler Rishi Sunak in Auftrag gegebenen Bericht die Zulassung dualer Aktienstrukturen empfohlen. Das soll die City of London für Tech-Börsenkandidaten attraktiver machen. Ganz neu ist das nicht: Der Gründer des E-Commerce-Konglomerats  The Hut Group (THG), Matthew Moulding, verfügt über eine Aktie mit Sonderrechten, die ihm dabei helfen soll, feindliche Übernahmeversuche drei Jahre lang abzuwehren.

Im ersten Quartal 2021 haben Emittenten bei insgesamt 25 IPOs an den Märkten der LSE 7,17 Mrd. Pfund Eigenkapital eingesammelt. Murray Roos, Group Head Capital Markets beim Londoner Börsenbetreiber, sprach von einem „fantastischen Start des Jahres“. Neben dem Schuhhersteller Dr. Martens gingen Deliveroo und die Online-Bewertungsplattform Trustpilot an die Börse. Im Auftaktquartal 2006 ka­men 7,24 Mrd. Pfund zusammen. Ge­messen an der Zahl der Börsengänge war 2021 das stärkste erste Quartal seit 2015. Damals wagten 29 Gesellschaften den Sprung aufs Parkett.

Auch Romi Savovas Online-Plattform Pension Bee gehört zu den Börsenkandidaten aus der Finanzbranche. Mit ihrer Hilfe können Rentenansprüche zusammengeführt und verwaltet werden. Das Unternehmen strebt eine Bewertung zwischen 300 Mill. und 350 Mill. Pfund an. Die Bitcoin-Miner Jonathan Bixby und Mike Edwards suchen Investoren für ihr Anlagevehikel NFT Investments, das in digitale Kunstwerke investieren soll (siehe Bericht auf dieser Seite).

Julian Wheatland hat sein Devisenhandelsgeschäft Cornerstone FS diese Woche am Wachstumssegment AIM platziert. Der ehemalige Chef von Cambridge Analytica, der die letzten Monate des Datenanalyseunternehmens nach dem Skandal um die Ausspähung von Facebook-Nutzern beaufsichtigte, hatte im vergangenen September den Chefsessel von Cornerstone übernommen, die sich damals noch mit Bartpflege und Rasierzubehör beschäftigte. Er verkaufte dieses Geschäft an die beiden Gründer und übernahm die Devisenhandelsplattform Fxpress, die vor gut einem Jahrzehnt von drei Devisenhändlern gegründet worden war. Cornerstone FS wendet sich mit ihren Dienstleistungen wie grenzüberschreitender Zahlungsabwicklung in erster Linie an kleine und mittelständische Unternehmen so­wie vermögende Privatkunden (HNWI, High Net Worth Individuals).