Regulierung

Kompromiss bei Rück­vergütungen in Sicht

Alle Zeichen deuten darauf hin, dass es nicht zu einem Verbot von Payment for Orderflow kommt. Nachdem Frankreich die EU-Ratspräsidentschaft abgegeben hat, hat Danuta Hübner als Berichterstatterin des EU-Parlaments nun in ihrer Kommentierung des Kommissionsvorschlags eine Regulierung empfohlen.

Kompromiss bei Rück­vergütungen in Sicht

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Als die Berichterstatterin des Europaparlaments (EP) für das Mifid-Review Danuta Hübner vor rund zwei Wochen mit ihrem Entwurf an die Öffentlichkeit ging, überraschte, dass sie das im Kommissionsvorschlag enthaltene Verbot von Payment for Orderflow (PFOF) voll unterstützte und keine Kompromisslinie skizzierte. Immerhin verband sie das mit dem Aufruf für einen harmonisierten Ansatz bei „Best Execution“ und mehr Transparenz – und wer will schon gegen mehr Transparenz sein.

Die Ausgangslage

In dem Vorschlag der EU-Kommission, der im Zusammenhang mit der weiteren Umsetzung der Kapitalmarktunion steht, sollen in den vielen angehängten Kapiteln im Wertpapierhandel zwei Dinge auf den Weg gebracht werden: zum einen die Schaffung eines „Consolidated Tape“ (CT) mit Preis- und Handelsdaten für den ganzen Euroraum, was Pretrade und Posttrade umfassen soll. Das soll Retail zugutekommen, wäre doch ersichtlich, dass man für den Trade den besten Preis erhält. Zum anderen hatte die Kommission ein Verbot von PFOF gefordert, wegen angeblicher Interessenkonflikte bei den Rückvergütungen. Das geplante Verbot stößt allerdings auf Widerstand beim Bundesfinanzministerium und der BaFin. Jüngste Studienergebnisse zeigten, dass Retail gut fährt mit PFOF über Neobroker und dass die Preisqualität stimmt – und dass es der Marktliquidität nicht schadet, wenn Orders über Marketmaker gehen und nicht auf Xetra geroutet werden.

In der Wertpapierbranche wurde der Entwurf von Danuta Hübner eifrig studiert – und an einigen Stellen macht sich Entsetzen breit. Denn der Entwurf sieht vor, dass Privatanleger künftig für das CT zahlen sollen – im Raum steht 1 Euro pro Monat, was sich dann auch für den kleinen Sparplan-Sparer auf eine im Verhältnis signifikante Summe läppert. Und warum sollte Retail das allein tragen und nicht auch die institutionellen Anleger sich an den Kosten des gemeinsamen Datenträgers beteiligen? Als Berichterstatterin des EP hätte man von Frau Hübner doch eigentlich erwarten können, dass sie an der Stelle als Anwältin von Retail auftritt. Bei einem Neobroker heißt es, damit würde eine neue Einnahmequelle für die Börsen geschaffen. Die großen Börsen wären der große Gewinner nach dem Hübner-Modell.

Ein zweiter Entwurf

Kürzlich gab es einen zweiten Hübner-Entwurf, der nach der Mifid-Seite nun die Mifir-Seite (Schwerpunkt Anlegerschutz) beleuchtet und stärker auf PFOF eingeht. Darin werden Kompromisslinien skizziert. Die Berichterstatterin geht so weit, im 109 Seiten starken PDF die Kommissionsüberschrift eines „ban“ für Payment for Orderflow in ein „regulating“ umzuschreiben. Die EU-Kommission soll dem Vernehmen nach den Umgang mit dem PFOF recht entspannt sehen: Ihr gehe es vor allem um ein vernünftiges Consolidated Tape, so dass es hier endlich einen harmonisierten Anfang gebe, heißt es im Markt – nachregulieren könne man immer noch. Allerdings zeichnet sich ab, dass ein Consolidated Tape vorerst nur in abgespeckter Form kommen wird, also nur mit Nachhandelsdaten statt Vorhandelsdaten, wie es für die Preisfindung wichtig wäre. Dafür will das EP den gemeinsamen Datenträger von Aktien auf andere Finanzinstrumente wie Derivate ausweiten – aber da ist der Emittent auch immer der Marketmaker. Solche Details wären dann ein Fall für den Trilog bzw. die Ausschüsse des EP.

Auf jeden Fall werden das Consolidated Tape und PFOF miteinander verbunden diskutiert. Die Kommission dürfte der Beibehaltung von Rückvergütungen offener gegenüberstehen, wenn es den gemeinsamen Datenträger als weiteres Modul der Kapitalmarktunion gibt, so zu­mindest die Erwartung in der Wertpapierbranche. Da angesichts der Ausgangslage aber etwas kommen muss in Sachen PFOF-Verbot, könnte die Einbindung von Dark Pools in der Vermarktung des Retail-Orderflow ausgeschlossen werden.

Im zweiten Teil des Hübner-Entwurf sind zudem scharfe Caps für die systematischen Internalisierer vorgeschlagen, die nun im Parlament sondiert werden könnten. Die Ausgestaltung der technischen regulatorischen Standards für Best Execution und CT würden dem Entwurf zufolge der ESMA obliegen, was von einigen Marktteilnehmern als suboptimal empfunden wird. Die Regelung von Bandbreiten für Preise und Gebühren sollte Teil der politischen Debatte sein, sagt ein Marktteilnehmer – es ist ja bekannt, dass Regulierungsbehörden auf knappem Budget unterwegs sind und mitunter gerne die Hilfe von Kapitalmarktkanzleien be­an­spruchen, die auf dem Ticket von großen Adressen unterwegs sind. Die ESMA hat schon wissen lassen, dass sie sich überhaupt nicht in der Lage sieht, das CT als IT-Projekt umzusetzen.

Luft zum Atmen

Mit dem vollständigen Entwurf der Berichterstatterin Hübner ist jedenfalls das Feld bereitet für die nun folgenden Schattenberichte und die im September beginnende Diskussion zum Pro und Contra eines PFOF-Verbot im Parlament. Und es ist gut, dass sich nun Kompromisslinien abzeichnen, die dann zwar suboptimale Lösungen bringen, aber jedem Marktteilnehmer Luft zum Atmen lassen und auch tatsächlich den Interessen von Retail gerecht werden.

Das sollten auch die Verbraucherschützer so sehen können, die PFOF-Rückvergütungen anfangs noch in einen Topf geschmissen hatten mit Vertriebsfolgeprovisionen, wie man sie aus dem Bankensektor kennt. Und für Kommission und Regulatoren besteht die Option der Nachregulierung, um das CT dann eines Tages mit der gewünschten Vorhandelstransparenz auszustatten. Denn so wie das Wasser den Stein schleift, wird in Brüssel beharrlich ein einmal eingeschlagener Weg weiterverfolgt.

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