Martin Kassing, Upvest

„Kosten pro Trade gehen runter“

Fünf Lizenzen hat Upvest bei der BaFin eingesammelt, um ein Rundum-Paket für Investment-Dienstleistungen bereitstellen zu können. „Damit sind wir ein vollwertiges Wertpapierinstitut,“ so Upvest-Chef Martin Kassing im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Als Infrastruktur-Spezialist hat das Fintech gute Karten.

„Kosten pro Trade gehen runter“

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Unter Fintech 2.0 versteht man gemeinhin zweierlei: Zum einen ist das die Gründergeneration nach den Pionieren, die vor mehr als zehn Jahren als Erste den Zeh ins kalte Wasser steckten. Zum anderen versteht man darunter, dass Fintechs die Infrastruktur und Prozesse der globalen Finanzbranche neu gestalten.

Auf Martin Kassing trifft beides zu als Gründer und CEO des Fintechs Upvest; er ist sozusagen die Verkörperung der zweiten Fintech-Welle. 2017 gegründet, haben Kassing und seine Mitstreiter ein cloudbasiertes Kernbankensystem entwickelt, das sich auf die Infrastruktur-Schnittstelle für Investments fokussiert. Das ist die spezialisierte Weiterentwicklung des breiten Banking-as-a-Service (BaaS) – und wenn man so will, entsteht damit Investment-as-a-Service (IaaS). Basis dafür sind moderne Infrastruktur, BaFin-Lizenzen sowie modulare Dienste, die im Hintergrund laufen und per API (Schnittstelle) bezogen werden können.

Dafür verfügt Upvest inzwischen über fünf BaFin-Lizenzen – und das zählt auch zu Kassings Highlights in seinem persönlichen Jahresrückblick: „Ende des ersten Quartals haben wir gleich fünf Lizenzen von der BaFin erhalten, darunter zum Beispiel die für das Finanzkommissionsgeschäft, Depotgeschäft, Eigenhandel und Kryptoverwahrung. Durch die Kombination der einzelnen Lizenzen wurden wir zu einem vollwertigen Wertpapierinstitut“, so Kassing im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Der Handel von Aktien, ETFs oder Kryptowährungen sowie die Verwahrung dieser Vermögenswerte, alles geht gebündelt über die Upvest-Plattform – was in der Form für Kassing ein Meilenstein an sich ist. „Außerdem ist die große Finanzierungsrunde über 42 Mill. Dollar, die wir mit Bessemer Ventures im Lead und zusammen mit unseren bestehenden Investoren gemacht haben, ein wesentlicher Meilenstein für Upvest. Bessemer hat einen guten ‚track record‘ im B2B-Bereich, das passt zu uns. Und dann sind wir noch zum ‚Fintech des Jahres‘ gewählt worden bei ‚Payment&Banking‘ ge­gen starke Wettbewerber wie Stripe und Mambu.“

Starken Investor im Rücken

Einen starken Investor im Rücken zu haben, ist elementar für Fintechs, die für das weitere Wachstum zusätzliches Working Capital brauchen. Beim Fintech-Funding bleibe die Lage 2023 und 2024 angespannt, die Zinsen blieben hoch und Kapital damit teuer, sagt Kassing. Dafür würden Geschäftsmodelle mit großen Bilanzen und tiefen Risikomodellen attraktiver, also die Domäne der Banken. „Die Konsolidierung kommt für fast alle Fintech-Sektoren, Consumer-Kredite dürften am stärksten betroffen sein. Payment ist resilient, auch wenn sich in einer Rezession Volumina teilweise reduzieren dürften. Auch Sparen und Investment zeigt sich bislang stabil, während im Wertpapierhandel das Volumen zu­rückgeht.“

Großer Trend in der Branche bleibe die Kostenreduzierung. Kassing glaubt, dass viele Unternehmer im Tech-Sektor noch mal ganz anders rangehen werden an das Kostenmanagement, was dann auch erstmals die Vergütung der Software-Entwickler betreffen könnte. Experten und Spitzentalente aus der Entwicklerbranche hatten teils Gehälter auf dem Niveau des C-Levels. Aber auch sie sind zuletzt von der Notwendigkeit, auf die Kosten zu gucken, betroffen gewesen. Ob und wie sich das dann auf die Innovationsfähigkeit auswirkt, wird man sehen.

Da Upvest unter anderem Banken und Assetmanager adressiert, die nun selbst in ihrer Wertschöpfungskette nach Sparpotenzialen fahnden, wittert Kassing gutes Geschäft für sein Start-up: „Wir profitieren von dem Trend zur Kostenreduktion, denn über unsere Plattform gehen die Kosten pro Trade sowie Konto & Depot runter.“ Das sind alles Argumente, die für eine Zusammenarbeit mit Infrastruktur-Spezialisten sprechen – wobei Upvest selbst in der Verwahrung auf die Dienste von BNP Paribas Securities Services zurückgreift. Die Großbank hat für das Fintech ein Sammeldepot eingerichtet, womit Wertpapiere von Upvest beschleunigt in einer Zentralverwahrungsstelle verbucht werden. Auf der anderen Seite besteht eine Fintech-Banken-Kooperation mit ABN Amro (die über ihren Venture-Arm an den Berlinern beteiligt ist), die Transaction-Banking-Dienste von Upvest bezieht.

Und so viel Konkurrenz hat Upvest beim IaaS weder in Deutschland noch in Europa. Die Solarisbank hat kein eigenes Kernbankensystem für Investments, Anbieter wie Treezor kommen stark über die Payment-Schnittstelle, Swan ist offen für das Onboarding von Investment-Diensten. Und inmitten der Fintech-Branchenflaute stellt Kassing einen Vorzug von B2B-Geschäftsmodellen heraus: „Sie bieten immer eine gute Marge. Wir haben zuletzt einige große Kunden gewonnen, die sich jetzt in der Integration befinden und im zweiten/dritten Quartal live gehen sollten.“ Für Upvest gehe es jetzt darum, „Skaleneffekte zu nutzen und weitere Kunden für unsere Services zu gewinnen. Ich bin auch zuversichtlich, dass sich das ETF-Volumen weiter gut entwickelt.“ Beim Krypto-Handelsvolumen ist er pessimistischer für 2023, da sich die Krise fortsetze und bei vereinzelten Anbietern „black swan events“ drohen könnten. Zudem müsste sich die Architektur des Marktes ändern, seien die (bislang unregulierten) Exchanges doch Eigenhändler und Verwahrer, was separiert werden sollte und auch kapitaleffizienter sei. „Das sollte regulatorisch in diese Bahn gelenkt werden.“ Für das Settlement von Wertpapieren mache die Verkürzung von T+2 auf T+0 Sinn, sei damit doch weniger Collateral gebunden, was die ganze Wertschöpfungskette im Nachhandel verkürze. Dafür brauche man dann auch nicht unbedingt eine Blockchain, das ginge auch über normale Datenbanken.

Ein gelungener Pivot

Und das sagt Kassing als Gründer, der 2017 zunächst mit einer Blockchain-Plattform ins Rennen ging, die „eine Art Mini-Kernbankensystem für Wallets“ entwickelt hatte. Allerdings hielt sich die Nachfrage dafür in Grenzen, da es noch keinen regulierten Sekundärmarkthandel gab, und man habe das dann an Plattformen verkauft, die Asset-Tokenisierung betreiben. Da man aber im Prozess des Markt-Screening gesehen habe, dass die Wertpapier-Nachfrage riesig ist, habe man das zum Anlass genommen für den Pivot zum heutigen Geschäftsmodell von Upvest.

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