Jos Dijsselhof, Six

„Nicht ganz so schnell wie gedacht“

Die Schweizer Börsenbetreiberin Six hat die weltweit erste, regulierte Plattform zum Handel von digitalisierten Vermögenswerten geschaffen. Doch die Geschäfte laufen schlecht an, die Zukunft des Vorzeigeprojekts ist unklar.

„Nicht ganz so schnell wie gedacht“

Von Daniel Zulauf, Zürich

Die Schweizer Börsenbetreiberin Six hatte sich 2018 aufgemacht, die weltweit erste, vollständig regulierte Plattform zum Handel von digitalisierten Vermögenswerten zu schaffen. Das ehrgeizige Ziel hat die Six Digital Exchange (SDX) schon vor mehr als einem Jahr erreicht. Inzwischen fragt sich aber manch ein Beobachter, wie es mit dem Vorzeigeprojekt weitergehen soll.

Aufhorchen liess in der vergangenen Woche der überraschende Rücktritt des Geschäftsleitungsmitglieds Thomas Zeeb, der die Six nach 14 Jahren bereits auf Ende Januar verlassen wird. Zeeb hatte die Vision der Schweizer Digitalbörse entwickelt und diese in der Konzernleitung als treibende Kraft vorangetrieben.

Visionär geht

Warum hat der langjährige Börsenchef Knall auf Fall gekündigt? Ein nicht genannt sein wollender Berater im internationalen Börsengeschäft vermutet, dass einigen Banken, denen die Six gehört, der Geduldsfaden gerissen sein könnte. Die in den vergangenen vier bis fünf Jahren getätigten Investitionen stünden in einem ungünstigen Verhältnis zum Erfolg, findet der Beobachter, der auch für SDX-Konkurrenten tätig ist. Die Börsen-Zeitung hat sich mit Six-CEO Jos Dijsselhof getroffen und mit ihm über die Digitalbörse ge­sprochen. Der Niederländer räumt ein, diese sei „vielleicht nicht ganz so schnell vorangekommen, wie ursprünglich gedacht“. Doch Zeebs Rücktritt habe damit gar nichts zu tun, bekräftigt er die offizielle Erklärung der Six.

Knapp eineinhalb Jahre nachdem die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) den SDX-Infrastrukturen die Bewilligung zum Handel und zur zentralen Verwahrung von digitalisierten Vermögenswerten erteilt hatte, konnte die Börse vergangene Woche ihre dritte Emission ver­melden.

Es handelt sich um eine Anleihe der Stadt Lugano über 100 Mill. sfr. Die größte Stadt im italienischsprachigen Landesteil der Schweiz sieht die Emission als Bestandteil ihres „Plan B“, mit dem die Lokalmetropole ein internationales Fintech-Zentrum werden möchte. Lugano hofft mit Hilfe der Digitalstrategie

Auch die UBS hatte ihre erste SDX-Emission im November, eine Anleihe über 375 Mill. sfr, primär als Showcase für die eigene Technolgieverbundenheit genutzt. Für die erste Emission überhaupt hatte im November 2021 die Six selbst gesorgt.

Von einem Durchbruch der SDX lässt sich angesichts dieses bescheidenen Emissionskalenders beileibe nicht sprechen. Zum Vergleich: Auf der konventionellen Börsenplattform der Six Swiss Exchange werden rund 46000 Wertpapiere gehandelt. Die Plattform zählt um die 200 registrierte Teilnehmer, die für einen liquiden Handel und damit für tiefe Kosten und günstige Transaktionspreise sorgen.

Nur wenige Teilnehmer

„Die Aufnahmefähigkeit des Marktes für tokenisierte Vermögenswerte hat grosses Potenzial“, beschreibt Dijsselhof die Situation der SDX. Die Formulierung ist beschönigend. Auf der Plattform tummeln sich erst eine Hand voll Teilnehmer unter ihnen die Großbanken UBS, Credit Suisse und die Zürcher Kantonalbank.

Trotzdem sagt der Six-Chef, die SDX sei für die Banken als Eigentümer der Six Gruppe von einer «sehr großen strategischen Bedeutung». Was er damit meint, ist der Umstand, dass die Digitalisierung der Finanzmärkte das Potenzial besitzt, Intermediäre wie die Six und die mit ihr verbundenen Banken teilweise oder gar vollständig obsolet zu machen.

Dijsselhof sagt. „Wir sehen ein stärker werdendes Momentum bei der SDX“. Man erwarte in den nächsten Monaten weitere Emissionen aus unterschiedlichen Branchen und man rechne auch mit einer Zunahme der teilnehmenden Banken. Das ist eine Grundvoraussetzung, dass die SDX den Eigentümern der Six ab 2025 keine Verluste mehr einbrockt, wie es der aktuelle Businessplan vorsieht.

Doch die wahre Reifeprüfung hat die Schweizer Digitalbörse erst dann bestanden, wenn sie sich auch als effizienter Handelsplatz für nicht bankfähige Vermögenswerte etablieren kann, räumt auch Dijsselhof ein.

Nicht bankfähig sind nicht nur so exotische Dinge wie Kunstwerke oder Oldtimersammlungen, sondern zum Beispiel auch Eigenkapitalanteile an nicht börsengehandelten Unternehmen. Solche naturgemäß illiquiden Privatmarktanlagen lassen sich nur schwerlich oder gar nicht als Sicherheiten für einen Kredit hinterlegen, daher der Begriff nicht bank­fähig.

Kritiker zweifeln am Bedarf

Kritiker glauben, dass es für den Handel solcher Vermögenswerte keine zentralisierten Digitalbörsen brauchen werde. „Die Wertschöpfungskette der Finanzindustrie wird der digitalen Disruption zum Opfer fallen, wie das auch anderen Geschäftsmodellen passiert“, prophezeit ein Six-Kenner.

„Die Entwicklung eines fairen und geordneten Marktes kann man nicht einfach einem Algorithmus überlassen“, kontert Dijesselhof im Wissen, mit dem Argument bei Behörden und Politik gerade jetzt auf viel Zuspruch zu stoßen. Doch sein kritischer Widersacher warnt: „Die Taxigewerkschaften haben einen schweren Stand gegen Uber, die Detailhändler verlieren Marktanteile an Amazon und Netflix gräbt den TV-Sendern zunehmend das Wasser ab – Regulierung hin oder her.“

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.