Italien

„Nur begrenzte staatliche Inter­ven­tionen im Finanzsektor“

In Italien könnte nach Ansicht des Bankenverbands ABI die Konsolidierung auf nationaler Ebene fortgesetzt werden. Beim Thema faule Kredite rechnet der Verband im kommenden Jahr mit einem Anstieg.

„Nur begrenzte staatliche Inter­ven­tionen im Finanzsektor“

Gerhard Bläske

Von , Mailand

Der italienische Bankenverband ABI erwartet eine Fortsetzung der Konsolidierung auf nationaler Ebene. Eine mögliche Übernahme der Krisenbank Monte dei Paschi di Siena (MPS) durch die HVB-Mutter Unicredit „wäre ein weiterer Schritt in diesem Prozess. Das ist wichtig, um die Effizienz des Systems zu verbessern“, sagte ABI-Generaldirektor Giovanni Sabatini im Gespräch der Börsen-Zeitung. Er betont, dass es wichtig sei, einen in der breiten Fläche präsenten Bankensektor zu bewahren: „Wir haben eine sehr diversifizierte Bankenlandschaft mit großen Banken, lokal tätigen Banken unter dem Dach von zwei genossenschaftlichen Gruppen, die die lokalen Gegebenheiten gut kennen, und Digitalbanken.“

Die Bildung einer großen Staatsbank für den Süden mit Teilen von MPS und der Volksbank von Bari, wie sie Teile der italienischen Politik fordern, lehnt Sabatini ab: „Die Geschichte öffentlicher Banken war historisch kein großer Erfolg.“

Sabatini hofft auf eine rasche Realisierung einer europäischen Bankenunion mit einheitlichen Regeln: „Das würde die Bildung großer europäischer Bankenkolosse, die mit den großen amerikanischen Kolossen konkurrieren könnten, erleichtern.“ Er plädiert dafür, die Kapitalanforderungen für europäische Banken nicht zu stark zu verschärfen: „Damit würde die Wettbewerbslücke zwischen europäischen und amerikanischen Banken weiter wachsen.“

Italiens Banken sind in den letzten Jahren immer wieder in existenzielle Krisen geraten – etwa die zwei venezianischen Volksbanken, die heute zu Intesa Sanpaolo gehören, die Genueser Carige oder die Volksbank von Bari – und wurden mit staatlicher Hilfe gerettet. Aktuell ist es wahrscheinlich, dass die HVB-Mutter Unicredit die guten Teile der 2017 von Rom mit 5,4 Mrd. Euro geretteten MPS übernimmt. Auch diesmal soll jedoch der Steuerzahler massiv zur Kasse gebeten werden, durch die Übernahme von Rechtsrisiken und faulen Krediten sowie über eine Kapitalerhöhung unter dem staatlichen Mehrheitsaktionär und Steuergutschriften für den Erwerber. Sabatini will dies nicht näher kommentieren, betont aber, dass nach seiner Ansicht der europäische Abwicklungsmechanismus (Bail-out) für Monte dei Paschi nicht greift. Bei MPS gebe es keine Hinweise darauf, dass das Institut eine gescheiterte Bank sei oder ein Scheitern wahrscheinlich ist und ein solches Verfahren eingeleitet werden muss. Insgesamt ist er der Auffassung, dass es „in Italien im Vergleich zu anderen Ländern nur begrenzte staatliche Interventionen im Finanzsektor gegeben hat“ und es gute Gründe für staatliche Rettungsaktionen geben kann, etwa um die Stabilität des Finanzsektors zu sichern. Es gibt Experten, die meinen, dass Rom vorrangigen Gläubigern von Problembanken ein Bail-in systematisch erspart hat.

Gut durch Krise gekommen

Italiens Bankenlandschaft hat eine starke Konsolidierung erlebt und zählt noch 103 unabhängige Bankengruppen. Diese sind laut Sabatini vor allem dank der temporären Aussetzung von Kreditrückzahlungen sowie staatlicher Garantien gut durch die Krise gekommen.

Notenbankchef Ignazio Visco und Andrea Enria, Chef der europäischen Bankenaufsicht, sorgen sich um einen Anstieg fauler Kredite bei italienischen Banken nach dem Auslaufen diverser Schutzmaßnahmen. „Wir machen uns im Hinblick auf das Niveau ausfallgefährdeter Kredite keine Sorgen“, sagt Sabatini. Die italienischen Banken gingen sogar gestärkt aus der Krise. So sei der Anteil fauler Kredite im Vergleich zu 2015 um gut drei Viertel auf 4,1% zurückgegangen.

„Angesichts des Ausmaßes der Pandemiekrise rechnen wir 2022 jedoch mit einem moderaten Anstieg“, ergänzte er. Dieser werde jedoch sicher nicht vergleichbar sein mit den während der Finanzkrise erreichten Spitzenwerten. Sabatini unterstrich zudem, dass man heute dank des zwischenzeitlich entstandenen Sekundärmarktes für ausfallgefährdete Darlehen besser mit diesem Problem umgehen könne.

Laut ABI-Zahlen haben Italiens Banken im ersten Halbjahr kumulierte Gewinne von 6 Mrd. Euro erwirtschaftet, nach einem Verlust von 590 Mill. Euro im Vorjahreszeitraum. Das Aufwands-Ertrags-Verhältnis lag demnach im Durchschnitt bei 51,3% und die harte Kernkapitalquote (CET 1) bei 15,5%. Damit stehe die Branche besser da als in Deutschland oder Frankreich, betonte Sabatini.

Mit Blick auf eine Lösung für die zu 80% vom Einlagensicherungsfonds der italienischen Privatbanken kontrollierte Genueser Sparkasse Carige zeigte Sabatini sich zuversichtlich: „Nach allem, was wir lesen, gibt es Kontakte mit Banken und Fonds.“ Akquisitionsprozesse seien jedoch komplex und brauchten Zeit, damit die Kaufpreise nicht zu stark unter Druck gerieten. Daher spricht sich Sabatini für eine Fristverlängerung aus. Die Bankenaufsicht verlangt einen Verkauf bis Jahresende.

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