Passive Anleger auf dem Vormarsch

Auswirkungen auf die Aktionärsstruktur im Dax - Nachhaltige Investments und aktivere Wahrnehmung der Aktionärsrechte rücken weiter in den Fokus

Passive Anleger auf dem Vormarsch

In 2019 ist der Dax um mehr als ein Viertel im Vergleich zu 2018 gestiegen. Internationale institutionelle Investoren haben ihren Anteil im deutschen Leitindex vergrößert. Speziell US-amerikanische Exchange Traded Funds (ETFs) haben 2019 im deutschen Leitindex zugegriffen, wohingegen europäische Fonds weiter etwas an Gewicht verloren. Dabei rückten nachhaltige Investments und die aktivere Wahrnehmung der Aktionärsrechte weiter in den Fokus. Die Investmentzentren London, Frankfurt, Paris und New York bleiben die Top-Destinationen für Investor-Relations-(IR-)Aktivitäten.Herausfordernder Ausblick für 2020: Das aktuelle Börsenjahr hat mit der Corona-Pandemie bereits einen großen Schock erlebt, der die Eigentumsverhältnisse massiv verändert hat und auch die Art der Unternehmensführung und IR-Aktivitäten signifikant verändern wird. Zudem versprechen neue Rahmenbedingungen wie die Implementierung der Aktionärsrechterichtlinie II (Arug II) sowie erhöhte Transparenz und Veröffentlichungsanforderungen an die Emittenten ein herausforderndes Jahr.Nachdem sich der institutionelle Streubesitz im Dax 2018 verringert hat, engagierten sich 2019 wieder vermehrt professionelle Anleger und erhöhten ihren Anteil um 1,1 Prozentpunkte auf über 61 % der Marktkapitalisierung. Dabei ist der Anteil der internationalen Investoren auf über 85 % des institutionellen Streubesitzes gestiegen. Speziell amerikanische Fonds weisen die größte Steigerungsrate von 1,3 Prozentpunkten auf. Diese Erhöhung wurde im Gegensatz zu 2018 vorrangig von ETF-Portfolien der Investoren BlackRock, Vanguard, State Street Global und zahlreichen kleineren Häusern getrieben.2018 zeigten sich noch aktiv verwaltete amerikanische Fonds wie beispielsweise Harris Associates, Fidelity Boston, Templeton US und CPP aus Kanada als Käufer im Dax. Heimische Investoren haben ihren relativen Anteil am Dax leicht verringert (-0,5 Prozentpunkte), sind aber mit knapp 15 % am Streubesitz weiter eine feste Größe. Abschichtungen gab es auch von skandinavischen Anlegern (-0,3 Prozentpunkte), wogegen sich in Großbritannien und Europa ansässige Anleger mit ca. jeweils 20 % im Vergleich zum Vorjahr sehr stabil hielten.Der Anstieg des ETF-Anteils im Dax geht mit einem Zukauf amerikanischer Investoren einher, da in den USA die weltweit größten Indexfonds ihren Hauptsitz haben, welche ebenfalls den größten Anteil der ETFs am weltweiten Gesamtmarkt ausmachen. Angesichts der Aktienkurssteigerungen im Leitindex in 2019 verwundert es auch nicht, dass einige aktive Fondmanager ihren Anteil am Dax angepasst und Gewinne realisiert haben. Heimische UnterstützungAuf Investorenebene bleibt die BlackRock-Gruppe größter Investor des Dax, allerdings mit einem geringeren relativen Anteil (-0,3 Prozentpunkte) am deutschen Leitindex. Die Gruppe fokussiert sich vermehrt auf passive Portfolien und sah vor allem weiterhin bei ETFs und ESG-Mandaten (ESG – Environment Social Governance) signifikante Zuwächse an zu verwaltendem Vermögen. Privatanleger sind weiterhin eine wichtige Investorengruppe im Dax (ca. 17 % des Kapitals), trotz der leichten Abschichtung, eine Anlegergruppe, die vor allem in Krisenzeiten heimische Unterstützung bietet.Die Studie von IHS Markit in Zusammenarbeit mit dem DIRK – Deutscher Investor Relations Verband hat zum wiederholten Male die wichtigsten Städte für Investorenaktivitäten analysiert. Trotz der Brexit-Debatte bleibt der Kapitalmarkthub London auch zum siebten Mal in Folge das Maß aller Dinge. Sowohl gemessen am insgesamt verwalteten Vermögen als auch dem im Dax angelegten Kapital (ca. 70 Mrd. Dollar per Dezember 2019) sowie den dort ansässigen Vermögensverwaltern, die Wertpapiere von Dax-Unternehmen halten (266 Fondsgesellschaften), bleibt London auf Platz eins. Zu den Top-Destinationen für Investor Relations im Dax zählen ebenfalls Frankfurt, Paris, New York und Boston.Der Megatrend rund um nachhaltige Investments mittels Integration von ESG-Kriterien (Umwelt, Soziale & nachhaltige Unternehmensführung) in den Anlage- und Engagement-Prozess zeichnet sich auch weiterhin für deutsche Emittenten ab. Die Studienergebnisse zeigen, dass unter den 100 größten Investoren im Dax 76,4 % eine mittlere bis hohe ESG-Sensitivität hinsichtlich ihres Portfolios aufweisen (Vorjahr: 76,0 %). Investoren, die keine Nachhaltigkeitskriterien bei der Veranlagung beziehungsweise im Abstimmungsprozess berücksichtigen, sind auf unter 6 % gesunken. Verbunden mit erhöhten regulatorischen und Best-Practice-Kapitalmarkt-Anforderungen: ESG wird weiter ein Disruptor der Unternehmensführung bleiben, der Stakeholder-Kommunikation wie auch Kapitalmarktzugang nachhaltig verändert.Diese Entwicklung zeigt sich auch, wenn man das Engagement von Investoren analysiert. Institutionelle Investoren nehmen global und grenzüberschreitend ihre Aktionärsrechte immer stärker wahr. Insbesondere gilt dies für das Abstimmverhalten auf und das Engagement vor Hauptversammlungen. Aktionäre gehen immer mehr dazu über, eigene interne Stewardship Guidelines für ihre Investments zu entwickeln, welche Abstimmungsrichtlinien und Engagement auch zu ESG-Themen regeln.Weiterhin spielen Stimmrechtsberater eine wichtige Rolle, deren Research etwa 75 % der institutionellen Investoren nutzen, allerdings verlassen sich etwa 93 % der Top-100-Investoren im Dax auf interne Richtlinien zur finalen Abstimmungsentscheidung. Es ist zu beobachten, wie Investoren aktiv auf Emittenten mit mangelhafter Corporate Governance zugehen und ihre Beteiligungen zur Verbesserung der Unternehmensführung einsetzen. Dies stellt ein erhöhtes Risiko für Emittenten dar, welches ein kontinuierliches Umdenken bei der IR-Arbeit bedingt.Das Hauptaugenmerk der Studie lag sowohl auf der Verteilung als auch speziell auf den Veränderungen und Mittelflüssen des institutionellen Streubesitzes der Dax-Emittenten hinsichtlich Geografie und Investmentstil. Hierbei wurden Investments auf Investorengruppenebene, von Staatsfonds sowie die Bedeutung von extrafinanziellen Kriterien und das Abstimmverhalten von Investoren näher untersucht. Die Datenerhebung bezieht sich auf das Gesamtjahr 2019. Daher beinhalten die Ergebnisse ausschließlich die Geldflüsse vor der Corona-Pandemie, welche sich, wie bereits jetzt klar ersichtlich wird, in den vergangenen Monaten deutlich verschoben haben. Crisis or Opportunity? Die durch Corona ausgelöste Volatilität an den Aktienmärkten stellt Unternehmen und deren Investorenarbeit vor zusätzliche Herausforderungen bei der Akquise von neuem Kapital an den Börsen. Aktionärsstrukturen ändern sich signifikant und mit einer höheren Geschwindigkeit als in einem normalen Marktumfeld, was auch die Planungssicherheit der IR-Arbeit einschränkt. Daher beobachten wir, dass Anleger immer noch massiv Gelder aus dem Aktienmarkt ziehen, besonders stark in den Monaten März und April 2020. Das hat zur Folge, dass Fonds bis hin zur Existenzbedrohung verkaufen müssen, um ihre Liquiditätsverpflichtungen bedienen zu können. Allerdings sehen wir auch Käufer im Markt, welche die aktuell günstige Bewertung der Aktienmärkte nutzen.Ein wichtiger Teil der IR-Arbeit ist der Kontakt mit Investoren auf Roadshows, Konferenzen oder Hauptversammlungen, welche sich aktuell in einem technologischen und juristischen Wandel befinden. Die durch die Coronakrise ausgelösten restriktiven Reisebedingungen machen virtuelle Roadshows, Investorenkonferenzen und zum Teil auch Hauptversammlungen derzeit unabdingbar. Die Folgen sind zeit- und kosteneffizientere Aktivitäten, da die Kommunikation mit Investoren weltweit an nur einem beziehungsweise an zwei Tagen möglich ist (abhängig von der jeweiligen Zeitzone). Allerdings bergen die virtuellen IR-Veranstaltungen einige Risiken im Rahmen der Digitalisierung, zum Beispiel sollte die Stabilität der Internetverbindung beim Streaming von Video und Audio gewährleistet sein.Mit Arug II hat die Europäische Union eine Erhöhung der Transparenz bei den Eigentumsverhältnissen von Emittenten geschaffen. Aktiengesellschaften erhalten somit die Möglichkeit, ausführliche und zeitnahe Bestandsauskünfte zum Aktionariat zu erhalten. Allerdings ergibt sich hierbei eine Einschränkung, die von zentraler Bedeutung ist: Die Richtlinie zielt darauf ab, den rechtlichen Aktionär im Sinne des Aktiengesetzes (Beneficial Owner) zu ermitteln. Aus Sicht der IR-Arbeit ist ebenfalls der Aktionär relevant, welcher die Investmententscheidung trifft (Advisor). Besonders bei der Verwaltung von Investmentmandaten stimmen Beneficial Owner und Advisor nicht überein. Somit ist die Ermittlung des Advisors weiterhin von zentraler Bedeutung für die IR-Abteilungen. Frederik Frank, Director Research & Analysis bei IHS Markit und Andreas Posavac, Executive Director – Head of ESG, CG & M&A Advisory bei IHS Markit