ESG

Robo-Advisor stoßen bei Nachhaltigkeit an Grenzen

Scalable Capital, Quirion, Cominvest und viele andere digitale Vermögensverwalter bieten bereits eine nachhaltige Geldanlage an. Doch das Ziel ist nur teilweise mit dem Versprechen niedriger Preise und einer breiten Streuung vereinbar.

Robo-Advisor stoßen bei Nachhaltigkeit an Grenzen

Von Jan Schrader, Frankfurt

Nachhaltig? Das können digitale Vermögensverwalter nach eigenem Be­kunden doch schon lange! „Nachhaltig und mit gutem Gewissen investieren“, verspricht „Cominvest Green“ der Commerzbank. „Nicht nur ein gutes Gefühl haben, sondern echt etwas bewirken“, wirbt die Union-Investment-Tochter Visualvest. „Mehr als nur ein Trend“, frohlockt Whitebox, „das Thema Nachhaltigkeit ist gekommen, um zu bleiben“, schreibt Scalable Capital, und Quirion der Honorarberaterbank Quirin sieht das „Finanzsystem als Schlüsselrolle für nachhaltigen Wandel“. Im heterogenen Markt der digitalen Vermögensverwalter, die landläufig als „Robo-Advisor“ tituliert werden, ist die Euphorie für Nachhaltigkeit angekommen. Doch die Stärke der Anbieter liegt woanders.

Streuung vs. Strenge

An ihrem Leistungsversprechen, nämlich eine breite Streuung, rütteln die meisten Robo-Advisor aus gutem Grund nicht. So verspricht etwa Com­invest „ein gut diversifiziertes Portfolio“ trotz „reduzierten Anlageuniversums“. Das aber, so führt wiederum Quirion-Chef Martin Daut aus, setze Augenmaß im Umgang mit ESG-Fonds voraus. Der digitale Vermögensverwalter investiert das Geld der Anleger wie viele andere Konkurrenten auch in ETFs. Dabei kommen diverse Nachhaltigkeitsindizes zum Einsatz, etwa verschiedene Varianten der Anbieterin MSCI. Die Zahl der Titel, in die Quirion weltweit investieren könne, sinke auf diese Weise auf etwa 2500 bis 3000 aus insgesamt rund ­10000 Aktien, wie das Unternehmen berichtet. Für grüne Puristen mag dieser ESG-Ansatz nicht streng genug sein, wie Quirion-Chef Daut sagt, doch eine breite Streuung sei für den Erfolg der Geldanlage zentral. Er plädiert daher für ein ausgewogenes Verhältnis der Anlegerziele.

Auch andere Anbieter nutzen breit streuende ETFs, von eng zugeschnittenen Branchen halten sich große On­line-Vermögensverwalter fern. Zwar bietet Bevestor, der Robo-Advisor der Sparkassen, als Beimischung Themenfonds zu den Schlagworten New Energy, Klimawandel, Wasser und Abfall sowie Impact Investing an. Mit jeweils 3,75% sind diese Portfolio-Bausteine allerdings klein, ma­ximal drei Themen lassen sich auswählen. Scalable Capital mischt auf Wunsch über börsengehandelte Ins­trumente auch Gold und Rohstoffe sowie die Kryptowährungen Bitcoin und Ethereum bei und deckt damit auch andere Anlegerthemen ab. Auch Cominvest setzt auf Gold.

Das empfohlene Portfolio variiert (siehe Grafik). Das liegt auch an der unterschiedlichen Abfrage der Anbieter. Bevestor empfiehlt eine hohe Anleihequote, wählt dort aber etwa hälftig Hochzinsanleihen aus.

Doppelte Verwaltung

Umstritten ist, ob der rege Einsatz von ETFs der Nachhaltigkeit entgegensteht. Anbieter aktiver Fonds argumentieren mitunter, dass nur sie Unternehmen gezielt begleiten, Veränderungen einfordern und mit einem Abzug der Mittel drohen können. Befürworter passiver­ Strategien halten dagegen. Quirion-Chef Daut sagt etwa, dass auch Anbieter passiver Produkte als Vertreter der Eigner Stimmrechte ausübten und unter Druck stünden, im Sinne einer nachhaltigen Ausrichtung zu votieren. Tatsächlich ist die Zahl nachhaltiger ETFs vielfältig. In einer Untersuchung der Stiftung Warentest sind die strengsten Nachhaltigkeitsfonds überwiegend aktiv verwaltet.

Der Einsatz aktiver Fonds im Robo-Advisory bringt jedoch ein Gebührenproblem mit sich. Eine aktive Verwaltung findet hier sowohl im Fonds als auch übergeordnet vom Robo-Advisory-Anbieter statt – das beißt sich mit dem verbreiteten Versprechen einer günstigen Vermögensanlage. Ein Beispiel ist Vividam, ein allein auf aktive Nachhaltigkeitsfonds ausgerichteter digitaler Vermögensverwalter. Mit 1,18% an Verwaltungskosten für den Robo-Advisor und üblichen Gebühren von 1,32 bis 1,76% auf Ebene der Fonds müssen Anleger erhebliche Kosten tragen.

Die hinter Vividam stehende Finet Asset Management räumt ein, dass die versprochene Leistung nicht billig sei. So kosteten Biotomaten ebenfalls einen Aufpreis, sagt Frank Huttel, Leiter des Portfoliomanagements. Immerhin erklärt die Gesellschaft, nach Möglichkeit institutionelle Anteilsklassen mit niedrigeren Verwaltungsgebühren auszuwählen. Institutionelle Tranchen nutzt auch der Warburg Navigator, der neben ETFs teilweise auch aktiv verwaltete Fonds einsetzt. Investify, die in Ko­operation mit der katholischen Pax-Bank ein nachhaltiges Angebot auf den Weg gebracht hat, kehrt nach eigenen Angaben etwaige Rückvergütungen an Anleger aus. Das verspricht auch Union-Investment-Tochter Visualvest, die neben ETFs ebenfalls einige aktive Fonds nutzt, etwa einen Nachhaltigkeitsaktienfonds von J. Safra Sarasin. Eine doppelte Steuerung des Vermögens – einmal durch den Fonds, einmal durch den Robo-Advisor – ist aber für alle Anbieter unvermeidbar, sofern sie aktive Fonds nutzen.

Vertrieb läuft an

Die Nachfrage der Kundschaft ist aber hoch: 25 bis 30% der Neugelder entfallen bei Quirion auf die nachhaltige Variante, Geschäftsführer Daut hält künftig 30 bis 40% für realistisch. Cominvest beziffert den Anteil der Neukunden auf 30%, Scalable Capital gibt den Wert sogar mit drei Vierteln an. Zumindest im Vertrieb ist keine Grenze sichtbar.

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