Risiken

Scope sorgt sich um hohen Leverage

Das Risiko, dass die Krise um Evergrande auf die Weltwirtschaft oder Europa übergreift, hält Scope für gering. Sorgen bereitet die kurzfristige Liquidität deutscher Immobilienentwickler.

Scope sorgt sich um hohen Leverage

kb Frankfurt

Überhitzte Immobilienmärkte existieren nicht nur in China, auch wenn dort die Probleme von Evergrande gravierend sind, wie Scope Ratings erklärt. Die Ratingagentur betont aber, dass die Situation im chinesischen Immobilienmarkt nicht mit der in Deutschland zu vergleichen sei. Grundsätzlich sei das Risiko einer systemischen Ansteckung der Weltwirtschaft oder des europäischen Immobiliensektors infolge der Evergrande-Krise gering, erklärt Scope. Sie kann der Evergrande-Krise sogar etwas Positives abgewinnen, wenn durch den Nachfragerückgang nach Wohnraum die Kosten für Baumaterial sinken.

Im Blick stehe aber die Liquidität: So habe lediglich ein Fünftel der deutschen Top-Immobilienentwickler, also Unternehmen, die Wohn- und Gewerbeimmobilien zum gewerbsmäßigen Vertrieb herstellen, ausreichend starke Liquiditätsratios analog zu den chinesischen Standards. „Viele Entwickler haben lange Fertigstellungszeiten und benötigen kurzfristig Mittel, um das Nettoumlaufvermögen zu finanzieren“, sagt Scope-Analystin Patricia Scheller und warnt: „Das kann zu hohem Leverage führen und problematisch werden, wenn Verkäufe länger dauern als geplant.“ Das Risiko könne schnell anschwellen während eines wirtschaftlichen Abschwungs oder Angebotsüberhangs. Zwar sei der Verschuldungsgrad deutscher Immobilienentwickler insgesamt handhabbar und nicht mit demjenigen in China zu vergleichen, dennoch sorgt sich Scope Ratings der Analystin zufolge darum, dass lediglich 20% der deutschen Immobilienentwickler genügend Barmittel hätten, um kurzfristige Schulden abzudecken.

Unterdessen berichten Immobilienmakler von einem fulminanten dritten Quartal, das mit fast 27 Mrd. Euro zu 44% zum bisherigen Jahresergebnis beigetragen habe. Entsprechend summierte sich das Transaktionsvolumen für die neun Monate Januar bis September auf insgesamt 60,8 Mrd. Euro, was einem kleinen Plus von 5% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht, wie JLL berichtet (siehe Grafik). Seit 2016 habe es nur drei Quartale mit einem noch höheren Volumen gegeben.

Zu dieser Dynamik habe vor allem eine Reihe an hochpreisigen Einzeltransaktionen beigetragen mit den beiden Frankfurter Bürogebäuden T1 und Skyper an der Spitze, die für rund 1,4 Mrd. Euro bzw. einen Betrag im mittleren dreistelligen Millionen-Bereich verkauft wurden. „Gerade solche Transaktionen zeigen, dass das Vertrauen in den deutschen Investmentmarkt nach wie vor vorhanden ist und dass die Investoren nach wie vor an die Assetklasse Büro glauben“, wirbt Jan Eckert, Head of Capital Markets JLL Germany, Austria, und schraubt die Jahresprognose hoch. „Ein Transaktionsvolumen bis zu 100 Mrd. Euro erscheint weiterhin möglich, inklusive der Vonovia-Deutsche-Wohnen-Fusion. Doch auch ohne diesen Sondereffekt erwarten wir aufgrund konkreter Verkaufsprozesse ein Jahresergebnis, das an das Niveau des Vorjahres heranreicht“, das JLL auf 81,5 Mrd. Euro beziffert.

Investments in den deutschen Immobilienmarkt von 100 Mrd. Euro bis Jahresende erwartet auch CBRE. In den ersten drei Quartalen sei ein Rekordvolumen von 60,6 Mrd. Euro erzielt worden, was nach Berechnungen von CBRE einen Anstieg um 8% bedeutet. Wohnimmobilien waren vor Büroimmobilien die stärkste Assetklasse und erreichten mit 20,8 Mrd. Euro ein höheres Ergebnis als in allen bisherigen Gesamtjahren. Die Top-7-Standorte vereinten rund 55% des Gesamttransaktionsvolumens auf sich, deutlich mehr als im Vorjahreszeitraum (44%), wie der Immobiliendienstleister berichtet. Auch die Nachfrage seitens der Nutzer entwickele sich positiv. „Der Corona-Knoten platzt, und die Menschen wollen zurück ins Büro und in die Einkaufsstraßen, sodass die Städte und deren Immobilien an Bedeutung gewinnen. Die Bürovermietungsmärkte haben die Talsohle durchschritten, und es stellt sich wieder eine gewisse Normalität ein, wenngleich das Thema flexibles und hybrides Arbeiten weiter an Bedeutung gewinnt und entsprechend neue Bürokonzepte und -arbeitswelten erfordert“, erklärt Jan Linsin, Head of Research bei CBRE in Deutschland. Allerdings sanken in fünf der Top-7-Städte die Spitzenrenditen für Büroimmobilien verglichen mit dem dritten Quartal 2020 um 0,7 Prozentpunkte auf 2,78%. Lediglich in Frankfurt waren sie mit 2,90% stabil.

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