M&A

Standard Chartered als Schnäppchen

Die First Abu Dhabi Bank hat eine Offerte für Standard Chartered geprüft. Nun will sie den Deal nicht weiter verfolgen. Doch wäre eine Übernahme schon mit Blick auf die Bewertungsunterschiede interessant.

Standard Chartered als Schnäppchen

hip London

Die First Abu Dhabi Bank (FAB) hat offengelegt, dass sie Interesse an der britischen Großbank Standard Chartered hatte. Das nach einem Bericht von Bloomberg bei den Anlegern einsetzende Fu­sionsfieber trieb den Kurs von Standard Chartered zeitweise um mehr als ein Fünftel nach oben. Vor vier Jahren wurde Barclays Interesse an dem Rivalen nachgesagt. FAB bestätigte, sich in einem sehr frühen Stadium der Prüfung eines möglichen Angebots für Standard Chartered befunden zu haben. Man tue dies aber nicht länger.

Die Bankanalysten von Jefferies fassten die einem solchen Deal zugrundeliegende Rationale wie folgt zusammen: Ein Institut, das zum zweifachen greifbaren Buchwert gehandelt wird, will ein Institut übernehmen, das für den halben greifbaren Buchwert an der Börse zu haben ist, aber über ein mehr als doppelt so dickes Kreditbuch, mehr als doppelt so hohe Einlagen und 44 % mehr Eigenkapital verfügt. Für FAB könne eine solche Übernahme ein Weg sein, ihre Einflusssphäre auszuweiten, schreibt das von Joseph Dickerson geführte Team der US-Investmentbank. Investoren aus Nahost sind derzeit aktiv: Zuletzt stieg die Saudi National Bank mit 9,9 % bei Credit Suisse ein.

FAB ging aus dem Zusammenschluss von First Gulf Bank und National Bank of Abu Dhabi hervor. Das Institut macht mehr als drei Viertel seines Geschäfts in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dort sind auch mehr als drei Viertel der Kredite und Einlagen angesiedelt. Der Staatsfonds Mubadala hält 38 %, die Herrscherfamilie Al Nahyan 15 %. Ausländer dürfen insgesamt nicht mehr als zwei Fünftel halten. Standard Chartered sitzt zwar in London, macht aber den größten Teil ihres Geschäfts in Schwellenländern. Größter Aktionär ist Singapurs Staatsfonds Temasek. Für beide Häuser ist die Handelsfinanzierung ein zentraler Bestandteil des Geschäfts. Überlappungen gibt es dabei so gut wie nicht. Der UBS-Analyst Jason Napier wies darauf hin, dass der Abschlag zum greifbaren Nettoinventarwert (TNAV, Tangible Net Asset Value), zu dem Standard Chartered gehandelt wird, „etwas Badwill“ liefern könne, um für Restrukturierung und Plattform-Investitionen zu bezahlen. Gleichwohl müsste man sowohl das langfristige Aufwärtspotenzial durch eine Ausweitung der Beziehungen zwischen Nahost und Asien betonen als auch Kostensenkungen durch Restrukturierung liefern, um so einen Zusammenschluss finanziell rechtfertigen zu können.

Sollte kein weiterer Interessent auf den Plan treten, kann FAB nach britischem Übernahmerecht erst in sechs Monaten eine Offerte für Standard Chartered vorlegen.