Homeoffice

Unter der Sonne für die Firma in Deutschland arbeiten

Der Versicherungskonzern Allianz bietet bisher einem Drittel seiner Mitarbeiter weltweit die Möglichkeit, vom Ausland aus für das Unternehmen in Deutschland zu arbeiten. Ein selbst entwickeltes Online-Tool macht die Genehmigung einfach.

Unter der Sonne für die Firma in Deutschland arbeiten

Von Thomas List, Frankfurt

Die Eltern in der alten Heimat besuchen oder in den Sommerferien die kroatische Adria genießen und die Kinder mit Cousins und Cousinen spielen lassen – und dabei via Laptop im Homeoffice arbeiten – bei der Allianz ist das fast kein Problem. Denn der Versicherer erlaubt inzwischen mehr als 50000 Beschäftigten weltweit bis zu 25 Tage im Kalenderjahr jenseits der Heimatgrenzen zu arbeiten, sofern das selbst entwickelte Online-Tool grünes Licht gibt oder dies in wenigen Ausnahmefällen noch manuell genehmigt wird.

„Für immer mehr Mitarbeiter ist die Freiheit, gleichzeitig aus der Ferne zu arbeiten und Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen oder im Winter einfach nur ein bisschen Sonne zu tanken, ein wertvoller Vorteil des modernen Arbeitslebens und un­erlässlich für das Wohlbefinden“, sagt Olaf Kliesow, Head of Global Reward, Performance and Mobility. „An den meisten Standorten ist die Belegschaft der Allianz international, wir haben allein in unserer Holding 76 verschiedene Nationalitäten.“

Mit den neuen Arbeitsmöglich­keiten wurden globale Arbeitsstandards eingeführt, die „flexible Allianz Ways of Working definieren“. Nach diesen „Ways of Working“ dürfen Beschäftigte mindestens 40% im Home­office arbeiten. „Wir sind davon überzeugt, dass diese Art von Flexibilität die Arbeitsmoral, das Engagement und damit letztendlich auch die Leistung der Mitarbeiter verbessert“, so Kliesow weiter.

Allerdings sind beim Arbeiten im Ausland einige Besonderheiten zu beachten. Das betrifft in erster Linie das Steuerrecht, das Einwanderungs- und das Sozialversicherungsrecht. Bei den meisten Unternehmen muss in einem aufwendigen Prüfprozess meist per Hand für jedes Land geprüft werden, ob ein Arbeitnehmer in einem bestimmten Land für ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland arbeiten darf. Bei der Allianz wollte man dies vermeiden und hat das „Cross-Border Remote Work Tool“ entwickelt.

Mit diesem Instrument können Allianz-Beschäftigte ihre Anträge auf Auslandsarbeit einfach und schnell selbst einschätzen, heißt es auf der unternehmenseigenen Homepage. Nach Beantwortung von sechs Fragen erhalten sie sofort eine Rückmeldung, ob ihre Anfrage genehmigt wird. Gefragt wird etwa nach der Gesellschaft, bei der ein Mitarbeiter beschäftigt ist (Holding oder Tochtergesellschaften), der Funktion, dem ordentlichen Wohnsitz und den genauen Daten des geplanten Arbeitseinsatzes. Der Antrag sollte spätestens 21 Tage vor dem geplanten Reiseantritt gestellt werden.

Bei der Holdinggesellschaft Allianz SE gehen beispielsweise pro Monat etwa 100 Anfragen für grenzüberschreitende Fernarbeit ein. „80% der Anträge erhalten grünes Licht, sind also erlaubt, 20% rotes Licht, sind also nicht genehmigt“, sagt Carmen Andronesei, Lead Cross-Border Remote Work bei der Allianz, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Von diesen insgesamt 100 Fällen haben lediglich etwa 15% eine weitere manuelle Bearbeitung erfordert, bevor sie entweder als grün oder rot gekennzeichnet werden konnten.“ Dabei hat Andronesei das Tool federführend entwickelt. „Momentan erreichen wir mit etwa 53000 Mitarbeitern rund 35% der Allianz-Belegschaft global.“ Nun arbeite der Konzern daran, das Angebot global weiter auszuweiten.

Bis Ende Januar wurden 4500 Anträge gestellt, von denen 3500 genehmigt wurden. Grundsätzlich kann jeder Allianz-Mitarbeiter nach Prüfung remote im Ausland arbeiten. „Wer grünes Licht für die Auslandsarbeit erhalten hat, erhält von uns einen One-Pager mit Hinweisen, was vor Ort erlaubt ist und was nicht.“ Nicht erlaubt ist zum Beispiel, in einer Allianz-Niederlassung im Ausland zu arbeiten.

Ausgerollt wurde das Programm im Oktober 2021 bei der Holding Allianz SE, Allianz Reinsurance, Allianz X und Allianz Technology global. Im Januar 2022 folgte AGCS global und im März 2022 dann Allianz Deutschland mit allen Tochtergesellschaften. Am einfachsten ist die Genehmigung für EU-Länder, da dort für alle EU-Bürger Niederlassungsfreiheit herrscht. „Inzwischen haben wir unsere erfassten Länder aber über Europa hinaus ausgeweitet auf die USA und Länder Afrikas und Asiens.“

Häufig nachgefragt werde zum Beispiel die Türkei. Für dieses Land konnten die meisten Anfragen positiv beschieden werden. Das hängt nicht zuletzt von der Staatsangehörigkeit des Anfragenden ab. „ Türkischen Staatsbürgern ist es erlaubt, ohne Visa in der Türkei zu arbeiten. Ähnliches gilt für EU-Bürger innerhalb der EU.“ Grundsätzlich beantragt die Allianz keine Visa. Darum müssen sich die Mitarbeiter selbst kümmern, falls nötig.

Nicht ohne Weiteres eine Freigabe erhalten Board-Mitglieder und Managing Directors sowie Underwriter. Unproblematisch sind in diesen Fällen aber häufig Auslandsaufenthalte von wenigen Tagen, wobei die Betroffenen dabei viele der sonst üblichen Aufgaben nicht erledigen dürfen. „Entscheidungen werden in dieser Zeit keine getroffen bzw. Verträge werden nicht unterschrieben.“

Nach Androneseis Erfahrung haben die meisten Mitarbeiter, die im Ausland remote arbeiten wollen, eine persönliche Beziehung zu dem betreffenden Land – durch Eltern, Verwandte, weil sie dort ihre Kindheit verbrachten. Das gilt auch für Andronesei selbst, die in Rumänien geboren wurde und aufgewachsen ist. „Im vergangenen Jahr hat jeder Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterin, dem das Arbeiten im Ausland genehmigt wurde, dort im Schnitt fünf Arbeitstage verbracht.“ Viele überbrücken so die Sommerferien mit den Kindern, die zum Beispiel von den Großeltern betreut werden, während (meist) die Mutter arbeitet. In der Zukunft soll das Tool weiter verbessert werden, also benutzerfreundlicher, für weitere Länder automatisiert und für immer mehr Allianz-Mitarbeiter weltweit zugänglich werden.

Nach Androneseis Eindruck ist das Werkzeug der Allianz einzigartig in der deutschen Unternehmenslandschaft. „Ich kenne kein Unternehmen – und wir tauschen uns mit vielen aus –, das ein so ausgeklügeltes, einfach zu bedienendes und schnell entscheidendes Genehmigungstool hat wie wir.“ Es habe schon viele Anfragen zu einem Verkauf des Tools gegeben. „Aber für Anwendung und Ausbau unserer Eigenentwicklung haften wir nur für uns selbst. Unsere Erfahrungen geben wir aber gerne weiter“, sagt Andronesei.

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