Italien

Unternehmen kehren Mailänder Börse den Rücken

Die Mailänder Börse verliert immer mehr ihrer Börsenschwergewichte. Nach einer Kapitalmarktstudie der Investmentbank Equita hat es 2022 Delistings im Umfang von 40 Mrd. Euro gegeben.

Unternehmen kehren Mailänder Börse den Rücken

Die negative Entwicklung an der Börse Mailand setzt sich fort. Im vergangenen Jahr verlor die Borsa Italiana infolge von Delistings eine Kapitalisierung von 40 Mrd. Euro. Den insgesamt 20 Delistings standen zwar 32 neue Notierungen gegenüber. Doch deren Volumen belief sich auf insgesamt gerade mal 1,5 Mrd. Euro.

Zwar gab es für diese Entwicklung gesamtwirtschaftliche Gründe wie den Ukraine-Krieg und die wirtschaftlich unsichere Lage. Doch Andrea Vismara,  CEO der italienischen Investmentbank Equita, sieht auch systemische Gründe für den Bedeutungsverlust der Mailänder Börse. „Trotz der in den letzten Jahren ergriffenen Maßnahmen müssen weitere strukturelle Änderungen durchgeführt werden, um den Zugang zum Kapitalmarkt zu verbessern und die inländische Anlegerbasis zu erweitern.“

In kaum einem anderen Land Europas ist die Börsenkapitalisierung, die derzeit etwa 650 Mrd. Euro beträgt, im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt geringer als in Italien. Dazu kommt ein relativ geringer Free Float der börsennotierten Unternehmen von etwa 60%. Das liegt auch an einem relativ starken Gewicht des Staates und der staatlichen Bank Cassa Depositi e Prestiti (CDP), die etwa große Beteiligungen an den wenigen Börsenschwergewichten wie Leonardo, Eni oder Enel halten.

Die Mailänder Börse gehört seit 2021 zur Mehrländerbörse Euronext und hat wesentlich dazu beigetragen, das diese für 2022 ein Rekordergebnis ausgewiesen hat. Euronext hat gerade die aus der Integration erwarteten Ebitda-Synergien bis 2024 von 100 auf 115 Mill. Euro erhöht. Die Börsenentwicklung von Euronext ist allerdings deutlich schlechter als beispielsweise die der Deutschen Börse, die ebenfalls an der Übernahme der Mailänder Börse interessiert gewesen war, aber ausgebremst wurde.

Die Mailänder Börse verliert schon seit einer Weile ihre Börsenschwergewichte. 2022 sagten die Elkann-Agnelli-Familienholding Exor (Börsenwert 17 Mrd. Euro), Cerved (2 Mrd. Euro) und der von der Familie Benetton kontrollierte Infrastrukturkonzern Atlantia (19 Mrd. Euro) „Addio“. Autogrill, ein Betreiber von Autobahnraststätten, wurde aufgekauft. Auch der Fußballclub AS Rom folgte Unternehmen wie IMA (Verpackungen) und Massimo Zanetti Beverage (Segafredo), die schon vorher gegangen waren. Die Versicherung Cattolica sowie Ubi Banca, Creval oder Carige verschwanden ebenfallls, weil sie aufgekauft wurden. Mit dem Land- und Baumaschinenkonzern CNH Industrial (Börsenwert 21 Mrd. Euro) hat ein weiteres Schwergewicht seinen Abschied aus Mailand angekündigt.

Neu an die Mailänder Börse gehen in erster Linie kleinere Unternehmen des Euronext-Growth-Segments, das im vergangenen Jahr 26 (i.V. 41) IPOs im Umfang von 967 Mill. Euro verzeichnete. Zu den wenigen neuen Notierungen gehörten 2022 De Nora, Iveco und Generalfinance.

Das IPO der Eni-Tochter Plenitude wurde jedoch aufgeschoben, die Dual Listings der in Hongkong notierten Unternehmen Prada (Mode) und Ferretti (Jachten) lassen auf sich warten. Mailand erscheint vielen Unternehmen nicht attraktiv. Sie steuern gleich die Aktienmärkte in New York, Hongkong oder Amsterdam an.

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