Im GesprächApurva Gosalia, Unternehmensberater

„Ein emissionsfreies Unternehmen ist eine Illusion“

Für den Unternehmensberater und ehemaligen Chief Sustainability Officer von Fuchs Apurva Gosalia ist Nachhaltigkeit „der mitbestimmende Faktor einer Konzernstrategie“. Noch vor wenigen Jahren sei das anders gewesen.

„Ein emissionsfreies Unternehmen ist eine Illusion“

Im Gespräch: Apurva Gosalia

“Ein emissionsfreies Unternehmen ist eine Illusion”

Für den Unternehmensberater und ehemaligen Chief Sustainability Officer von Fuchs ist Nachhaltigkeit „der mitbestimmende Faktor einer Konzernstrategie“

lis Frankfurt
Von Lisa Schmelzer, Frankfurt

Der Druck auf Unternehmen steigt, umweltverträglicher zu wirtschaften. Das fordern Investoren, Kunden und vor allem die Politik. Am 5. Januar dieses Jahres ist die Corporate Sustainability Reporting Directive („CSRD“) in Kraft getreten, die das Ziel verfolgt, die Rechenschaftspflicht europäischer Unternehmen über Nachhaltigkeitsaspekte zu erhöhen. Hierzu führt sie erstmals einen verbindlichen Berichtsstandard auf EU-Ebene ein, den European Sustainability Reporting Standard („ESRS“). Damit wurde eine Zeitenwende in der Nachhaltigkeit(-sberichterstattung) eingeläutet, ist Apurva Gosalia überzeugt. Denn während vor wenigen Jahren manche Firma noch geglaubt habe, „irgendwie um das Thema Sustainability und dessen Reporting herum zu kommen, weiß heutzutage jedes Unternehmen, dass Nachhaltigkeit mittlerweile der mitbestimmende Faktor einer Konzernstrategie ist“, erklärt Gosalia im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Von Lisa Schmelzer, Frankfurt

Für den Nachhaltigkeitsberater Apurva Gosalia, zehn Jahre Chief Sustainability Officer beim Schmierstoffhersteller Fuchs, ist Nachhaltigkeit mittlerweile der “mitbestimmende Faktor einer Konzernstrategie”. Zudem könne Wertsteigerung heutzutage nicht mehr nur rein monetär gemessen werden, sagt er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Er selbst hat jede Menge Erfahrung mit dem Thema. Mehr als 10 Jahre war er Chief Sustainability beim Mannheimer Schmierstoffhersteller Fuchs. 2020 wagte er den Schritt in die Selbständigkeit und ist seitdem als Nachhaltigkeits- und Strategieberater tätig.  Außerdem leitet er seit 2021 den Arbeitskreis Klimaneutralität der Senatskommission Sustainable Economy im Senat der Wirtschaft.

Nach dem ESRS-Standard müssen die Unternehmen spätestens für das Geschäftsjahr 2025 Angaben zu den umweltspezifischen Risiken ihrer Tätigkeiten machen, also beispielsweise über die Auswirkungen eines Unternehmens auf die Verschmutzung von Luft, Wasser und Erde berichten. Wichtig sei, so Gosalia, dass Firmen zunächst die Menge ihrer CO2-Emissionen berechnen, also ihren sogenannten Corporate Carbon Footprint (CCF). „Die CO2-Bilanz spielt die entscheidende Rolle. Denn was man nicht messen kann, kann man nicht managen und was man nicht managen kann, kann man nicht minimieren.“  Eine Treibhausgasbilanz schaffe Transparenz und ermögliche den Betrieben, die direkten und indirekten Emissionen im Unternehmen und entlang ihrer Wertschöpfungskette zu identifizieren.

Mögliche Hebel

Im nächsten Schritt gehe es darum, die Emissionen so weit wie möglich zu reduzieren oder komplett zu vermeiden.  Höhere Energieeffizienz, Umstellung auf erneuerbare Energien und Prozessoptimierung sind dafür mögliche Hebel. Was allerdings eine Illusion sei, warnt Gosalia, „ist ein emissionsfreies Unternehmen“. Praktisch jede Tätigkeit führe zu Treibhausemissionen, daher sei ein emissionsfreies Leben und Wirtschaften für Menschen und Unternehmen kaum möglich. „Selbst Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten wachsen in der Regel nicht emissionsfrei. Sie stehen am Ende einer Lieferkette, die das Saatgut, den Dünger und die Werkzeuge per Transport herbeischafft und hierbei Emissionen verursacht hat.“

Emissionen, die unvermeidbar sind oder noch nicht vermieden werden können, müssen daher kompensiert werden – etwa durch die Unterstützung zertifizierter Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern. Für das Klima spiele es – anders als bei der Luftverschmutzung – keine Rolle, wo Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen und wo sie reduziert werden. Wichtig sei, dass die weltweiten Emissionen in der Summe abnehmen. Wenn also im Gegenzug zu ihrer Entstehung, Emissionen in gleichem Umfang vermieden werden, zum Beispiel durch Investitionen in seriöse, internationale Klimaschutzprojekte, ist die Bilanz für das Klima am Ende wieder neutral. „Klar ist aber auch, dass diese Form der CO2-Kompensation, die kontinuierliche Suche der Unternehmen nach Reduzierungspotenzialen bei den eigenen CO2-Emissionen begleiten, aber nicht ersetzen dürfen“, betont der Nachhaltigkeitsexperte, der auch als Dozent tätig ist, unter anderem an der Frankfurt School of Finance.

CO2-Preis macht den Markt

Bei manchen Branchen ist der Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit vorgezeichnet. Die Autoindustrie etwa setzt auf Elektromobilität und den Einsatz von Wasserstoff. Andere haben es da schwerer, etwa die Luftfahrt – Sustainable Aviation Fuel soll es da richten, aber davon gibt es bisher nur sehr kleine Mengen. Allerdings, so ist Gosalia überzeugt, könne die Entwicklung beschleunigt werden. „Wenn der CO2-Preis erst einmal exorbitant hoch ist, wird sich schnell ein Markt für die benötigten Produkte finden.“

Denn nach wie vor gehe es bei den Unternehmen natürlich um Kosten und Gewinne – aber eben nicht mehr nur. „Früher haben Unternehmenslenker auf die Frage nach ihren wichtigsten drei „P’s“ oft geantwortet: „Profit – Profit – Profit.“ Heute sollten bzw. würden sie antworten: „Profit – Planet – People.“ Die Kunst sei es heute, diese drei Säulen der Nachhaltigkeit wirtschaftlich, ökologisch und sozial in Einklang und Balance zu bringen. Entscheidend hierbei sei, dass man sie als ineinandergreifender Systeme mit wechselseitigen Abhängigkeiten verstehe, die zeigen, dass die Rechnung aus Wirtschaft und Gesellschaft nicht mehr ohne die Umwelt gemacht werden kann. „Oder anders ausgedrückt: Wertsteigerung kann heutzutage nicht mehr nur rein monetär gemessen werden.“

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